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Archiv-Artikel

HARTZ UND PIËCH VERSTANDEN BETRIEBSRAT ALS HILFSORGAN Vulgär-Materialismus bei VW

Im Jahr 2004 wurde im Wolfsburger VW-Konzern auf eisernen Sparkurs bei den Arbeitnehmern umgeschaltet. Doch für Klaus Volkert, den langjährigen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, belief sich die Zahlung aus dem Sonderbonus des Vorstands auf 570.000 Euro. So trug eben jeder seinen Teil zur Betriebssanierung bei.

Für die im Lauf von zehn Jahren an Volkert gezahlten Sonderboni, gewöhnliche Boni und Vertrauensspesen war Peter Hartz verantwortlich – vormaliger Arbeitsdirektor im VW-Vorstand und Architekt der nach ihm benannten Schröder’schen Arbeitsmarkt-Reformen. Die Anklage gegen ihn ist fertiggestellt, unter anderem wegen Untreue, und Hartz ist auch geständig. Verdächtig geständig. War er es wirklich allein, der den Entschluss fasste, seinen notleidenden Betriebsratschef zu alimentieren?

Der damalige VW-Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piëch hat gegenüber der Staatsanwaltschaft beteuert, er habe niemals selbst Geld verteilt, insbesondere nicht „in diesen unangenehmen Fällen“. Dies sei die Aufgabe von Hartz gewesen. Für die juristische Beurteilung mag diese Ausführung relevant sein. Politisch ausschlaggebend hingegen ist Piëchs Einverständnis mit Hartz, dass Volkert „einem Topmanager gleichgestellt werden müsse“, und zwar „im Hinblick auf seine Funktion als Konzernbetriebsratsvorsitzender“.

Was heißt „im Hinblick auf“? Schlaglichtartig wird durch diese Äußerung beleuchtet, in welcher Weise Kontroll- und Mitbestimmungsfunktionen der Belegschaft von der Kapitalseite verstanden werden. Sicher war es immer eine Illusion zu glauben, dass Betriebsräte oder gewerkschaftliche Vertreter in den Aufsichtsräten von den Unternehmern als genuine Wahrer von Arbeiterinteressen wahrgenommen und respektiert würden. Stets galten sie den Vorständen als potenzielles Hilfsorgan ihrer Geschäftspolitik. Aber so offen wie der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende hat selten ein Manager geäußert, wie der „Gleichstellungsprozess“ eines ArbeiterInnenvertreters mit den Firmeninteressen zu laufen hat. Dies der „vulgär-materialistische“ Erkenntnisgewinn einer vulgären Affäre. CHRISTIAN SEMLER