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Archiv-Artikel

HARTZ IV: DER WIRTSCHAFTSMINISTER JAMMERT ÜBER SEIN EIGENES WERK Herr Clement, ein Niveau!

Es gibt kein Niveau einer politischen Diskussion, das nicht noch unterschritten werden kann. Der jüngste Beweis ist der Streit um die Erwerbsfähigkeit der Empfänger von Arbeitslosengeld II. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) wirft den Städten und Gemeinden vor, sucht- und aidskranke Sozialhilfeempfänger als arbeitslos gemeldet zu haben, obwohl die Leute gar nicht erwerbsfähig seien. Selbst Komakranke seien als erwerbsfähig deklariert worden, beklagte sich Clement. Doch wenn jetzt schon Kranke dafür herhalten müssen, die hohe Arbeitslosenzahl schöner zu reden, dann stimmt was nicht in der aktuellen Diskussion um die Erwerbslosigkeit.

Das Gesetz jedenfalls ist klar: Laut Sozialgesetzbuch II gilt jeder als „erwerbsfähig“, der mindestens drei Stunden am Tag arbeiten kann. Ob diese Arbeit dann schwer oder leicht sein darf, wird im Gesetz offen gelassen. Nach dieser Regelung kann man selbstverständlich auch Suchtkranke als „erwerbsfähig“ bezeichnen, zumal die Suchtberatung sogar im neuen Gesetz zum Arbeitslosengeld II ausdrücklich als Hilfeleistung für Erwerbslose festgeschrieben ist. Clement beklagt sich also letztlich über die Folgen eines Gesetzes, das er mit zu verantworten hat.

Nach den Mindestbedingungen für das Arbeitslosengeld II sind nun einmal hunderttausende von gesundheitlich eingeschränkten Erwerbslosen leistungsberechtigt, die in Wirklichkeit meilenweit entfernt sind von jeder Vermittlungschance auf dem ersten Jobmarkt. Dass jetzt Menschen in der Arbeitslosenstatistik stehen, die sich von dort auch nicht mehr herausbewegen werden, hätte Clement schon beim Abfassen der Hartz-IV-Bestimmungen wissen müssen. Die Arbeitslosenstatistik ist mehr denn je eine Sozialstatistik über die chronisch Joblosen in Deutschland – und genau das lässt sich nicht herunterreden, auch nicht mit dem Verweis auf gesundheitlich Beeinträchtigte, von denen vielleicht der eine oder andere tatsächlich in der falschen Statistik gelandet sein mag.

Nach einem Kneipenwitz bestellt man „Herr Ober, ein Niveau!“, wenn Stammtischgespräche zu sehr absacken. Die Order geht derzeit an den Wirtschaftsminister. BARBARA DRIBBUSCH