HARALD KELLER KELLER-FENSTER : Töten und vergessen
Jef Geeraerts, 1930 in Antwerpen geboren, blickt auf einen bewegten Berufsweg zurück, unter anderem als Kolonialbeamter in Belgisch-Kongo, war Redakteur und Übersetzer und hat eine Reihe zeitkritischer, teils skandalumwitterter Romane geschaffen. 1985 verfasste er den Krimi „De zaak Alzheimer“, der verblüffend hellsichtig die organisierte Kinderprostitution beschrieb – ein Jahr später wurde erstmals der später berüchtigte belgische Kinderschänder Marc Dutroux verhaftet.
„De zaak Alzheimer“ diente dem an Jean-Pierre Melville geschulten Film „Mörder ohne Erinnerung“ (Samstag, 0 Uhr, ZDF) als Vorlage. Geeraerts wählte einen ungewöhnlichen, dabei äußerst wirksamen Zugang zum Thema: Er koppelte die Form des klassischen Polizeikrimis mit der psychologischen Studie eines alternden Auftragsmörders, der erste Anzeichen von Alzheimer zeigt. Angelo Ledda (Jan Decleir) weiß, was ihn erwartet: Sein älterer Bruder lebt bereits in einem Pflegeheim.
Widerstrebend lässt er sich noch einmal auf einen Job ein. Er soll nach Antwerpen reisen und einen Ankläger töten. Es bleibt nicht dabei. Als Ledda jedoch begreift, worum es in der Sache geht, begehrt er auf. Nun weiß er nicht nur die Polizei auf seinen Fersen, sondern auch einen Verbrecherring, dessen Hintermänner den höchsten gesellschaftlichen Kreisen angehören. Er muss sich wehren – und kämpft zugleich gegen den fortschreitenden Gedächtnisverlust.
In einer Parallelhandlung ermittelt der Kriminalist Eric Vincke (Koen De Bouw) gegen einen Vater, der seine elfjährige Tochter feilbietet. Der vermeintliche Einzelfall nimmt ungeahnte Dimensionen an; der Polizist Vincke und der Killer Ledda kommen zu gleichen Erkenntnissen und ziehen die gleichen Schlüsse, aber unterschiedliche Konsequenzen. Wobei, wie eine US-Kritikerin schrieb, nicht auszuschließen ist, dass Ledda einfach nur vergessen hat, dass er zu den Bösen gehört …
■ Nächste Woche kehrt der „Wochenendkrimi“ zurück