HAMBURGER SZENE : Kulturclash vor dem Rathaus
„Eindrucksvoll“, urteilt eine Passantin, als sie den großen Drachen auf dem Rathausmarkt begutachtet. Seit einem Tag steht das 4.300 Kilogramm schwere Kunstwerk aus Kupfer an der kleinen Alster.
Ein Publikumsmagnet soll er sein. An diesem Nachmittag fotografieren sich nur vereinzelt Menschen, überwiegend asiatische Touristen, vor dem Symbol der Friedfertigkeit.
Plötzlich beginnt ein kleiner Junge an zu weinen. Die angriffslustig erhobene vordere Tatze macht ihm Angst – von wegen friedlich!
Eine Gruppe Ruheständler spaziert vorbei. „Was ist das denn für ein Quatsch?“, fragt einer von ihnen. Argwöhnisch begutachtet er seine Umgebung. „Dort ein Zeltlager, dann noch der Drache. Im Hintergrund spielt ein Zigeuner seine Stammesmusik und am Rathaus weht eine ausländische Flagge“, schimpft er – und wirkt überfordert.
Bei der Flagge handelt es sich um die Südafrikas, der Musiker spielt „Que Será, Será“ und die Zelte sind Pagodenzelte, die für die China-Wochen in Hamburg aufgebaut wurden.
Die Gruppe schaut sich das Marktgelände an. „Immerhin haben sie deutsches Bier“, sagt der Rentner. „Erinnert alles ein bisschen an Hafengeburtstag“, findet ein anderer aus der Gruppe. „Oder Alstervergnügen“, fährt er fort. „Und die Verkäufer an den Ständen sind auch keine Asiaten.“ Beim Blick auf eine Speisekarte wird er stutzig. „Trinken Chinesen eigentlich Rotwein?“, fragt er. JULIAN KÖNIG