HAMBURGER SZENE VON GERNOT KNÖDLER : Verwaltung undercover
Witzig: Jetzt fangen die Touristen schon an, Kaufhaus-Neubauten zu fotografieren. Der Typ – rotes Gesicht, lange graue Haare – steht an der Stresemannstraße, neben ihm sein Mountainbike. Er trägt grüne, knielange Shorts; seine Beine stecken in schwarzen Socken und klobigen schwarzen Turnschuhen. Auf der anderen Straßenseite steht ein Speicher, in dem man Sachen unterstellen kann, für die man zu Hause keinen Platz hat. Doch der Langhaarige hält mit seiner Kompaktkamera auf die Baustelle der neuen Kaufland-Filiale direkt an der S-Bahn zum Diebsteich.
Irgendwie ist der Neubau ja tatsächlich faszinierend: Fünf oder sechs Stockwerke hoch, ist er komplett aus Beton-Fertigteilen zusammengesetzt worden. Und vor die geschlossene Betonfassade haben die Arbeiter in den vergangenen Tagen Betonsäulen und Querbalken gestellt. Sieht so grob aus wie ein archaischer Tempel – und wird ja auch einer.
Das Wort „Konsumtempel“ passt bei aller Abgegriffenheit ganz gut, aber „Kaufland“ passt angesichts der Ausmaße des Betonbaus noch besser. Trotzdem muss der Typ mit der Kamera ein Nerd sein, so was zu fotografieren. Stimmt auch: Es ist der gut getarnte Altonaer Baudezernent Reinhold Gütter, der hier wie der legendäre Bagdader Kalif Harun al Raschid in seinem Reich nach dem Rechten sieht.