HALUK LEVENT IM SO36 : Es tobt nicht
Neulich gehe ich am SO36 vorbei. Es stehen geschminkte, als Deutsch-Türkinnen erkennbare Frauen mit High Heels und gefönter Frisur am schmuddeligen Eingang. Nur wenige junge Männer an ihrer Seite. Warum stehen die da, frage ich mich. Rund herum herrscht in der Oranienstraße Fußballfieber. Der bekannte türkische Rocksänger Haluk Levent gibt heute ein Konzert. Aha, ein Grund, gleich meinen Schreibblock zu zücken und die Anstehenden für kurze Statements anzusprechen. „Tut mir leid, die Presse-Liste ist voll.“ „Aber ich muss da rein. Ich muss darüber was schreiben.“
Muss ich nicht, aber ich habe tierischen Druck, während meines Praktikums bei der taz auch sichtbare Resultate hervorzubringen. „Also: Mich interessieren die Besucher, nicht der Sänger.“ „Na ja gut, ich schau mal, was sich machen lässt.“ Spätestens, als ich beginne, meinen Schreibblock vollzukritzeln, dürfte meine Ernsthaftigkeit eine der Organisatorinnen erweicht haben. Ich also rein.
Nur allmählich kommt Bewegung in die Menge. „Was findest du so toll an dem Sänger?“ „Der ist nicht so arrogant. Der kommt runter zu den Leuten.“ „Der ist echt. Macht nix vor.“ Ein Authent also. „Der hat gute Ansichten. Ist ein Linker.“ Prompt spricht der Mann auch vom Antiimperialismus in seinen Songs und vom Miteinander von Kurden, Türken und Armeniern. Und einen alevitischen Song rockt er heraus. Es ist ein Mischmasch aus allen möglichen Liedern. Hauptsache, irgendwie alevitisch, dachte er sich wohl.
Drei Stunden. Die Menge könnte ruhig mehr Begeisterung zeigen, denke ich, während ich zu vereinzelten tobenden Fans hinüberschaue. Schätze, es sind aus der Türkei eingewanderte Fans. Auf Anfrage zeigt sich: Es stimmt. „In der Türkei kreischen und toben alle“, sagt einer. Ich wünschte, wir hier tobten und kreischten auch bei einem Rockkonzert. HÜLYA GÜRLER