: Grundrecht auf Ausbildung
betr.: „Von Tony Blair die Gebührenrevolution lernen“, taz vom 30. 3. 05
Dass ausgerechnet die taz das britische System für Studiengebühren als Erfolg vermarktet, verwundert hier. Das Ganze dann auch noch als sozial ausgewogen zu bezeichnen, ist bedenklich und vollkommen fehl am Platz. In einer modernen Gesellschaft sollte ein Grundrecht auf Ausbildung bestehen, und diese allen und in gleicher Weise zugänglich sein. Warum sollten in fünf Jahren nicht auch Gymnasien und weiterführende Schulen in Deutschland Gebühren erheben, wie das in Großbritannien in Privatschulen der Fall ist. Für eine „besser verdienende“ Familie mit einem Gesamteinkommen von etwa 60.000 Euro kann sich das auf 10.000 Euro pro Schuljahr belaufen, sichert aber den Zugang zu einem Studienplatz. In manchen Fällen wird dieses System auch schon in besser stehenden öffentlichen Schulen durch die Hintertür eingeführt, als „freiwillige“ Abgabe, die allerdings unter Druck auf die Eltern eingefordert wird.
Dass den Universitäten mehr an der eigenen Wirtschaftslage gelegen ist als an der Ausbildung einer zukünftigen nationalen Elite, lässt sich daran ablesen, dass sowohl Oxford als auch Cambridge dafür in die Kritik geraten sind, vorzugsweise außereuropäische Studenten aufzunehmen, denen sie statt der normalen Studiengebühren und „Top-up Fees“ das Dreifache berechnen können. Und auch die USA bedienen sich gerne hoch qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland, die wegen ihrer Fähigkeiten statt ihres Geldbeutels studieren durften.
Für das britische Gesundheitswesen zum Beispiel hat das fatale Folgen. Im europäischen Vergleich steht Großbritannien bei den Zahlen für Ärzte und Krankenschwestern pro Bevölkerungszahl am Ende der Liste. Die finanziellen Belastungen eines Studiengangs bis zur Akkreditierung sind den meisten Kandidaten zu hoch und riskant. In der Zwischenzeit werden wohl auch weiterhin noch Patienten für Hüftoperationen nach Wartezeiten von bis zu 12 Monaten nach Frankreich und Deutschland ausgelagert und Krankenschwestern und Pfleger aus Drittweltländern abgeworben.
FILIP FLOREANI, Birmingham, Großbritannien
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