Grüner Wahlkampf: Künast setzt zehn Punkte
Die grüne Spitzenkandidatin fordert von ihrer Partei Geschlossenheit: Man könne von den Linken lernen, wie man sich zerlege. Großer Applaus auf kleinem Parteitag.
Das Machtwort war fällig und es kam: Vor gut 150 Teilnehmern eines kleinen Parteitags hat Renate Künast am Donnerstagabend von ihrem Landesverband Geschlossenheit verlangt. "Man kann von der Linken lernen, wie es ist, wenn man sich selbst zerlegt", rief sie ihren Parteitfreunden in einer mehrfach von anhaltendem Applaus unterbrochenen Rede zu, "deshalb ist mein Aufruf: In großer Geschlossenheit zu sagen, was wir für die Stadt tun können." Damit spielte sie offenbar auf jüngste mehrfach heftig kritisierte Äußerungen der Linkspartei-Führung auf Bundesebene an, die der Berliner Linkspartei den Wahlkampf erschweren.
Vorangegangen waren parteiinterne Streitigkeiten über eine grün-schwarze Koalition. Ein Bündnis mit der CDU ist für Künast angesichts des großen SPD-Vorsprungs die einzige Möglichkeit, nach der Abgeordnetenhauswahl am 18. September das grüne Wahlziel zu erreichen und Regierende Bürgermeisterin zu werden. Einzelne Abgeordnete der Parteilinken hatten gegenüber der taz deutlich gemacht, dass sie ein solches Bündnis klar ablehnen.
Ihr Aufruf zur Geschlossenheit gelte "für alle in diesem Raum und für jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses", so Künast am Tagungsort in Prenzlauer Berg. Man trage auch Veranwortung für den 4. September, sagte Künast. Dann wird, zwei Wochen vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl, in Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Dort sind die Grünen bislang nicht im Landtag vertreten.
Das von Künast und den Spitzen von Partei und Fraktion bereits am Donnerstagmittag vorgestellte 10-Punkte-Papier "Verstehen und Handeln" für die Schlussphase des Wahlkampfs stieß bei dem kleinen Parteitag fast ausschließlich auf Lob. Parteichefin Bettina Jarasch nannte es eine "Konkretisierung und Priorisierung" der grünen Inhalte. Die ersten vier Punkte sind Schule, Arbeitsplätze, Mietenpolitik und bezahlbarer Wohnraum sowie eine Absage an den Weiterbau der A 100.
Künast, derzeit grüne Fraktionchefin im Bundestag, warf dem Regierenden Bürgermeister und SPD-Spitzenkandidaten Klaus Wowereit vor, sich vor einer Diskussion um Inhalte und um seine Leistungsbilanz zu drücken. Sie forderte ihn auf, zum grünen 10-Punkte-Papier Stellung zu beziehen. Das sei für Wowereit "die große Chance, sich zu positionieren statt zu schwadronieren".
Kurzzeitig schien dann Rot-Grün im Raum zu stehen: "Das wäre vielleicht der Beginn ...", setzte Künast an, und für einen Moment hing der Satz aus "Casablanca" in der Luft, der mit "...einer wunderbaren Freundschaft" weitergeht. Tatsächlich aber fuhr Künast fort: "... einer intensiven Auseinandersetzung."
Nur wenige Stunden zuvor hatte Künast gesagt, sie wolle sich alle Koalitionsoptionen offen halten. Ihre Schlussworte klangen allerdings wie ein vorgezogenes Angebot an die SPD. Was wolle die Sozialdemokratie?, fragte sie, um danach ihre grünen Zuhörer von den Sitzen zu reißen und zu über einminütigem Beifall zu bringen: "Lieber Klaus Wowereit, willst Du mit anderen kuscheln, oder willst Du dieses Programm?"
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin