Grüner Schulz über Hamburg-Wahlergebnis: "Das Lagerdenken überwinden"

Schwarz-Grün in Hamburg wäre ein spannendes Experiment, sagt der grüne Ex-Bundestagsabgeordnete Werner Schulz - und fordert ein neues Koalitionsverständnis.

Modische Kombination? Schwarz-Grün Bild: dpa

taz: Herr Schulz, sollen Hamburgs Grüne mit der CDU koalieren?

Werner Schulz: Sie sollten das auf jeden Fall prüfen. Das Fünfparteiensystem ist doch gelähmt und die Grünen könnten diejenigen sein, die das Lagerdenken überwinden. Das wäre ein großer Fortschritt in der deutschen Politik. Ich habe mir immer gewünscht, dass wir nicht billiger Merheitsbeschaffer sind, sondern der ausschlaggebende Faktor. Das wäre ein neues Koalitionsverständnis.

Wie stark hängen Koalitionen noch an gesellschaftlichen Milieus?

Die Milieus sind nicht zu unterschätzen. Bündnisse können leicht Wähler verprellen, weil viele auf Lager festgelegt sind. Deshalb sollte man besser vor der Wahl verschiedene Optionen ankündigen: Eine wünschenswerte Koalition und eine zweite, die unter gewissen Umständen auch möglich ist. In Hamburg ist das ja passiert.

Hamburgs Grüne haben sich doch distanziert, als es im Wahlkampf um Schwarz-Grün ging.

Ganz ausgeschlossen wurde es aber nicht. Die Hamburger haben in den Bezirken Altona und Harburg mit schwarz-grünen Koalitionen nicht die schlechtesten Erfahrungen gemacht.

Hätten die Grünen bundesweit etwas von Schwarz-Grün in Hamburg?

Praktische Beispiele sind wichtig. So ein Bündnis müsste aber beweisen, dass es sich lohnt: Grüne Inhalte müssten sich wiederfinden lassen. Dann ist Hamburg ein sehr spannendes Experiment.

Wäre Schwarz-Grün ein Projekt?

Es ist nicht die Zeit für ideologische Projekte. Es wird Zeit für Reform- und Sachbündnisse.

Wie hoch ist das Risiko für Ihre Partei nach schwarz-grünen Experimenten aus den Parlamenten zu fliegen?

Man kann natürlich Wähler verlieren, wenn der Eindruck entsteht, wir seien beliebig. Deshalb muss es inhaltlich gut begründet sein. Der Vorteil ist, dass die ökologische Frage eine parteiübergreifende Frage ist. In der Blockadesituation muss man über die Lager hinweg Lösungen anbieten. Das können die Grünen. Deshalb dürfte der Gewinn größer sein als das Risiko.

2009 wählt das Saarland. Rot-Rot-Grün könnte möglich sein, vielleicht mit einem Regierungschef Lafontaine. Sollten die Grünen das machen?

Bei der Linken im Westen weiß ich noch nicht genau, wer sie ist. Im Osten hat die Partei Regierungskompetenz. Aber im Westen ist sie ein unausgegorenes Sammelsurium aus ehemaligen SPD-Leuten, Gewerkschaftern und den Resten der vierten Internationalen. Bis zur ersten rot-rot-grünen Koalition muss die Linke auch ihr Verhältnis zur totalitären Vergangenheit klären.

Sie sind doch dafür, unideologisch zu sein. Gilt das nicht für die Linke?

Die Linkspartei hat außer Protest noch kein Programm. Hartz IV weg, da bin ich ja einverstanden. Aber man muss Antworten haben. Zudem denken etliche Linke so wie Frau Wegner aus Niedersachsen mit ihrer Stasi-Verharmlosung. Und viele wollen gar nicht mitregieren.

Es könnte ja eine rot-grüne Minderheitsregierung geduldet werden. Zum Beispiel in Hessen.

Die Linkspartei müsste eine andere Politik mittragen. Nicht nur als Duldung. Das Magdeburger Modell, wo Rot-Grün von der PDS toleriert wurde, war ein Flop: Die SPD hatte einen heimlichen Koalitionspartner, der aus der Duldung heraus Rieseneinfluss hatte, ohne den Kopf hinhalten zu müssen. Wir haben mit der verkorksten Hartz-Reform die Linken erst stark gemacht. Das Problem können wir nicht so leichtfertig abwälzen, sondern wir müssen uns ernsthaft mit ihnen auseinander setzen.

INTERVIEW: GEORG LÖWISCH

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