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Archiv-Artikel

Grüner Hechtsprung KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER

Das Publikum staunte gestern nicht schlecht über den Bundesvorstand der Grünen: Schließlich führte der einen spektakulären Hechtsprung vor – von der gegenwärtigen Regierungs- auf die zukünftige Oppositionsbank.

 Der nun präsentierte Entwurf eines Wahlprogramms 2005 enthält nicht einmal mehr Spurenelemente eines koalitionären „Weiter so!“. Vielmehr werden alle vermeintlichen und auch wirklichen Erfolge der Regierungsarbeit aufs Konto der grünen Initiative gebucht, während alle Missgriffe und Missgeschicke der Koalition fast ausnahmslos der Blockade der Rechten oder gleich den SPD-„Strukturkonservativen“ zugeschrieben werden.

 Exemplarisch zeigt sich diese Absetzbewegung beim Hartz-IV-Komplex. Dieses Gebiet habe man leider leichtfertig der SPD überlassen. Fazit: Vom „Fordern und Fördern“ sei nur Ersteres in die Tat umgesetzt worden. Jetzt gelte es, unverzüglich zur Reparatur zu schreiten. Und dabei müsse das eigentliche Ziel der Grünen, die armutsfeste Grundsicherung, entschlossen im Auge behalten werden. Hat eigentlich irgendjemand aus der Bündnisgrünen-Fraktion Hartz IV und den damit notwendig verbundenen Konsequenzen zugestimmt?

 In ihrem Entwurf bezeichnen sich die Grünen als eine „moderne, wertorientierte und emanzipierte Linke“. Eine leere Geste, eine zu nichts verpflichtende Reminiszenz an den politischen Ursprung der „modernen“ Zwischenschichten-Klientel? Immerhin, man findet im Programmentwurf Einsichten in die Spaltung unserer Gesellschaft und deren Urheber. Auch Rückgriffe auf grüne, zukunftsweisende Elemente zur Arbeitszeitpolitik werden unternommen. Daneben vielerlei vage Hoffnung, so zum Beispiel, mittels höherer Besteuerung von Spitzeneinkommen die Lohnnebenkosten zu senken und dadurch neue Arbeitspätze zu schaffen.

 Summa summarum muss man es den Programmierern der Grünen zumindest positiv anrechnen, dass sie sich nicht in die Festung unbezweifelbarer ökologischer Forderungen zurückgezogen haben, sondern sich wieder in den linken Diskussionszusammenhang einfädeln. Willkommen im Klub der Neinsager!