Grüne Bundestagsfraktion: Kurs auf Parteilinie

Symptomatisch für ein neues Klima: Die grüne Bundestagsfraktion stellt die Vermögensabgabe ins Zentrum ihrer Haushaltspolitik – bisher war solches nur von der Partei gefordert worden.

Künast forderte kürzlich "absolute, kontemplative Ruhe". Bild: dapd

WEIMAR taz | Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte "absolute, kontemplative Ruhe". Zur kleinen Nachfeier des 30. Parteigründungsjubiläums spielte Agnes Krumwiede, Neuabgeordnete und gelernte Konzertpianistin, ein Klavierstück in g-moll von Fanny Hensel, geborene Mendelssohn.

Im Anschluss erklärte Krumwiede dem Publikum aus Grünen und Gästen: Unrecht habe, wer unter Anspielung auf ein Zitat Joschka Fischers behaupte, die Zeit des Rock n Roll sei bei den Grünen vorbei – "das ist Rock n Roll." Da wurde dem einen oder anderen der Grünen, die zur Fraktionsklausur in Weimar zusammengekommen waren, doch etwas unbehaglich. Nicht alle mochten ihre kulturelle und politische Identität den bürgerlichen Salons des 19. Jahrhunderts zugeschrieben wissen.

Die Freude über die mit 68 Mitgliedern größte Bundestagsfraktion aller Zeiten, die Misere aller anderen Parteien und aktuelle Umfragewerte von 14 Prozent war in Weimar durchsetzt von der Unruhe darüber, was im Mai in Nordrhein-Westfalen passieren wird. Dort könnte die Landtagswahl zu zwei Optionen führen: Opposition gegen Schwarzrot – oder Koalition mit der CDU. "Was aber taugen alle schönen, linken Konzepte zum Green New Deal, wenn nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen bereits 20 Millionen Deutsche schwarz-grün regiert werden?", fragte ein Nachwuchsgrüner besorgt.

Die vielen selbstbewussten Fraktionsfrischlinge tragen dazu bei, dass der parlamentarische Arm der Grünen, Ideen zu vertreten beginnt, die bislang bloß von der Partei in Wahlkampfbroschüren gedruckt wurden. Die Vermögensabgabe zum Beispiel, die Neuauflage der als abgenudelt empfundenen Vermögensteuer, wird Kernbestandteil der grünen Haushaltspolitik. Auch in der Fraktion sollen sich künftig Sparen und Geldeintreiben ergänzen. Dafür sollen der Realo-"Sparkommissar" Alex Bonde gemeinsam mit dem Linken-Finanzer Gerhard Schick bürgen.

Zehn Punkte umfasst der Weimarer Forderungskatalog, mit dem die Grünen in den Wettkampf um die Meinungsführerschaft in der Opposition einsteigen. Auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Atomlager Gorleben habe man sich mit der SPD beinahe schon geeinigt und die notwendigen Stimmen demnach beisammen, erklärte Fraktionschef Jürgen Trittin - nur der Zeitraum der Untersuchung sei noch strittig.

Woher die Grünen allerdings eine Bundestagsmehrheit für eine Enquetekommission zum ökologisch verträglichen Wirtschaftswachstum nehmen werden, mochte seine Kollegin Künast nicht vermuten. Klar sei, dass der Klimawandel ein "selektives Wachstum" erfordere. "Massiv schrumpfen" müsse der Automobilsektor, "radikal wachsen" dagegen etwa die Gebäudedämmung.

Eine Enquetekommission ist das sicherlich am gründlichsten, aber oft genug auch dauerhaft im Verborgenen arbeitende Instrument des Bundestags. In eine Diskussion über Wachstumsbegriffe dort einzusteigen, muss den Regierungsfraktionen daher nicht unbedingt schaden. Ob SPD und Linkspartei geneigt sind, sich dem mit ökologischem Schwerpunkt aufgezäumten Wettbewerb um beste Ideen zu stellen, mochte kaum ein Grüner in Weimar auch nur vermuten.

In anderen Bereichen sah Trittin jedoch Potenzial, die drei Oppositionsfraktionen gegen Schwarz-Gelb zu einen: Gegen die Kopfpauschale des FDP-Bundesgesundheitsministers Philipp Rösler, sagte er, werde es eine "klare, klassische Kampagne" geben.

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