Großbritannien: Terror war im Internet angekündigt
Ermittler haben eine Verbindung zwischen den Vorfällen von Glasgow und London festgestellt. Auf einer Website wurde zudem Verdächtiges entdeckt.
Am Samstag hatten die Briten zum dritten Mal in zwei Tagen Glück. Der Anschlag auf den Flughafen Glasgow schlug ebenso fehl wie die Attentatsversuche einen Tag zuvor in London. Die beiden Attentäter, laut Augenzeugen "asiatisch aussehende Männer", hatten einen brennenden Jeep gegen die Eingangstür der Haupthalle des schottischen Flughafens gefahren, waren aus dem Auto gesprungen und hatten den Wagen und sich selbst mit Benzin übergossen. Die Flughafenpolizei überwältigte sie mit Hilfe von Passanten.
Einer der beiden wurde mit lebensgefährlichen Verbrennungen in das Krankenhaus von Paisley eingeliefert. Dort fand die Polizei bei ihm eine "verdächtige Apparatur", woraufhin das Krankenhaus evakuiert werden musste. Am späten Sonntagnachmittag sprengte die Polizei ein verdächtiges Auto auf dem Krankenhaus-Parkplatz.
Der Cherokee enthielt wie die beiden Autos in London Sprengstoff, Gasbehälter und Nägel. Auch in anderen Landesteilen wurde nach den Attentätern gefahndet. Am Nachmittag nahm die Polizei einen Mann in Liverpool fest. Am Vorabend hatten Beamte einen 26-jährigen Mann und eine 26-jährige Frau nach einer Verfolgungsjagd auf der Autobahn in der Grafschaft Cheshire im Nordwesten Englands festgenommen. Sie sollen "in direkter Verbindung zu den Londoner Anschlägen" stehen.
Die Anschläge in London sind nur durch Zufall vereitelt worden. Gegen ein Uhr nachts wurde ein Krankenwagen zur Diskothek Tiger Tiger in der Nähe des Piccadilly Circus gerufen. Den Fahrern fiel ein grüner Mercedes auf, der schräg auf dem Bürgersteig geparkt war. Im Innern des Wagens stieg Rauch auf. Die herbeigerufene Polizei entfernte ein Handy, mit dem die Bombe vermutlich gezündet werden sollte, aus dem Auto. Der Mercedes war Anfang Juni gestohlen worden.
Der zweite Wagen mit einer Bombe an Bord wurde später in einer Tiefgarage entdeckt. Die Polizei hatte ihn dorthin umgesetzt, weil er falsch geparkt war, die Gaskanister auf dem Rücksitz aber zunächst übersehen.
Nach dem Attentat von Glasgow rief die Regierung die höchste Alarmstufe aus. Das bedeutet, dass man mit weiteren Anschlägen rechnen müsse. Die Polizeieinsätze beim Gay Pride Festival, beim Gedenkkonzert für Prinzessin Diana im Wembley-Stadion und beim Wimbledon-Tennisturnier wurden erheblich verstärkt. Für sämtliche höherrangigen Geheimdienstmitarbeiter wurde eine Urlaubssperre verhängt.
Die Polizei ist sich nicht nur wegen der gleichen Bombenbauart sicher, dass es eine "klare Verbindung" zwischen den Anschlägen von Glasgow und London gibt. Der frühere Scotland-Yard-Chef Lord Stevens, der vom neuen Premierminister Gordon Brown zum Sonderberater für die Terrorismusbekämpfung ernannt wurde, ist davon überzeugt, dass das Al-Qaida-Netzwerk hinter den Attentaten steckt. "Die Bombenanschläge vom Wochenende signalisieren eine massive Eskalation durch islamische Terroristen", sagte er. "Die Täter haben dieselben Techniken zur Bombenherstellung benutzt wie ihre Waffenbrüder in Bagdad und Bali."
Die Polizei fahndet nach einer Reihe von Terrorverdächtigen, die gegen ihre Meldepflicht verstoßen haben und in den vergangenen Wochen untergetaucht sind. Einer davon ist der 26-jährige Lamine Adam, der mit dem Plan angegeben haben soll, Diskotheken in die Luft zu sprengen. Auch seine Freunde, Ibrahim und Cerie Bullivant, werden gesucht. Das Trio wollte in den Irak gehen und gegen britische Soldaten kämpfen, sagte der Regierungsberater für Antiterrorgesetze, Lord Carlile. Möglicherweise sind sie stattdessen in Großbritannien eingesetzt worden.
Es gibt nach Polizeierkenntnissen rund 50 aktive islamische Extremistenzellen in Großbritannien. 300 Personen gelten als gefährlich und werden ständig überwacht. Weitere 1.500 werden zum weiteren Kreis der Terrorverdächtigen gerechnet und gelegentlich überwacht. Das Problem sei, sagte ein Polizist, dass man deshalb den Zeitpunkt verpassen könne, zu dem diese Leute zum harten Kern überwechseln.
Die Zeitung Scotsman berichtete am Samstag, dass auf der Internetseite von al-Hesbah, die von al-Qaida und den Taliban benutzt wird, bereits am Donnerstagmorgen - also 17 Stunden vor dem ersten Attentatsversuch - die Nachricht zu lesen war: "Ich sage: Freut euch bei Allah, London wird bombardiert werden." Unterzeichnet war der Text von einem Abu Osama al-Hazeen. Paul Wilkinson vom Zentrum für Terrorismusstudien an der schottischen Universität St. Andrews sagte, die Anschläge seien höchstwahrscheinlich als Begrüßung für Gordon Brown gedacht. "Wir wissen, dass al-Qaida solche Gelegenheiten in der Vergangenheit benutzt hat, um ihre Propaganda zu verbreiten", sagte er.
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