: Goethe votierte für Todesurteil
betr.: „Frau als Hyäne“, taz.mag vom 3./4. 1. 2009
Mag sein, dass vielen das Gesetz, das auf das Jahr 1532 zurückging, in den Jahren 1773–1782 als ungerecht erschien und sich die Häufung der Texte zur Problematik der Kindstötung „als beginnende Sozialkritik verstehen“ lässt. Den Herrn Goethe lassen wir aber da besser raus. Der war 1783 maßgeblich daran beteiligt, dass Johanna Catharina Höhn gemäß der sogenannten peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. von 1532 hingerichtet wurde.
Nicht nur in Weimar, sondern in vielen Teilen Europas wurde damals im Zuge der Aufklärung ein neuer Umgang mit Kindsmörderinnen gefordert. Die soziale und psychische Notlage der Täterinnen rückte in den Mittelpunkt, und es wurden Forderungen laut, die Todesstrafe für „Kindsmörderinnen“ abzuschaffen.
Zwei Jahre vor der Hinrichtung von Johanna Catharina Höhn unternahm Herzog Carl August erstmalig den Versuch, die Todesstrafe abzuschaffen, und begnadigte eine Kindsmörderin zu lebenslangem Zuchthaus. Im Fall Höhn wurde dennoch das Todesurteil gesprochen. Nach dem Urteil wurde Carl August von Kanzler Carl Schmidt aufgefordert, zu dem Urteil Stellung zu nehmen. Zweifellos erwartete der Herzog von seinem dreiköpfigen Beratungsgremium, dem Johann Wolfgang Goethe angehörte, Unterstützung in seinem Bestreben, die Todesstrafe für die Verurteilte in eine lebenslängliche Zuchthausstrafe umzuwandeln. Goethe votierte jedoch ebenso wie die beiden anderen Räte für die Beibehaltung des Todesurteils gegen Johanna Catharina Höhn, deren Schicksal damit besiegelt war.
MICHAEL SAILER, München