Globalisierungskritik in Frankfurt: Occupy-Camp ist Geschichte
Die Aktivisten haben den Kampf gegen die Frankfurter Behörden vorerst verloren. Doch die Stimmung bleibt vor den anstehenden Blockupy-Aktionen optimistisch.
FRANKFURT/ M. taz I Am Mittwochmorgen hat die Polizei das Frankfurter Occupy-Camp geräumt. Um Punkt 9.50 Uhr begannen Beamte damit, AktivistInnen aus der Zeltstadt vor der Europäischen Zentralbank (EZB) zu tragen. Die Occupisten hatten zuvor angekündigt, „passiven Widerstand zu leisten.“
Vorausgegangen war ein Eilbeschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs am frühen Mittwochmorgen, welcher das von der Stadt Frankfurt ausgesprochene Verbot des Camps vom 16. Mai, 8 Uhr, bis einschließlich 20. Mai bestätigte hatte. Die Ordnungsbehörde der Mainmetropole hatten die kompletten, viertägigen Blockupy-Proteste untersagt, was auf heftige Kritik in Politik und Zivilgesellschaft stieß. Das Komplettverbot wurde zunächst am Montag in Teilen vom Frankfurter Verwaltungsgericht kassiert.
Dieses erlaubte zumindest eine Kundgebung und einen Rave am Mittwoch, sowie die geplante Großdemonstration am Samstag. Dagegen hatten sowohl die Stadt wie auch die Anmelder von Blockupy Einspruch eingelegt, woraufhin die Kasseler Richter als nächst höhere Instanz entscheiden mussten. Sie hoben das Urteil ihrer Frankfurter Kollegen auf und verboten alle Veranstaltungen, vorbehaltlich der Großdemonstration, über die noch gesondert entschieden werden soll.
Die Nachricht über die Gerichtsentscheidung aus Kassel machte bei den etwa 300 Occupisten schnell die Runde, woraufhin sich die meisten Aktivisten in der Mitte des Camps zu einer Sitzblockade versammelten. Wenngleich sich bei machen eine gewisse Anspannung zeigte, war die Stimmung ausgelassen: Die bunte Truppe trommelte und Aktivisten bemalten sich gegenseitig mit Farbe, während die Polizei das Gebiet weiträumig absperrte. An beiden Seiten der Blockade setzten sich Demonstranten in mit Farbe gefüllte Plantschbecken und sangen Protestlieder. Neben den angestammten Camp-Bewohnern waren auch Vertreter der Linkspartei und Aktivisten des Blockupy-Bündnisses vor Ort.
Nach langem Zögern greift Polizei durch
Doch anderthalb Stunden passierte erstmal nichts, bis die Polizei die erste von drei obligatorischen Durchsagen machte und die Blockierer dazu aufforderte, das Gelände freiwillig zu verlassen. Dabei war die Polizei durchaus um Deeskalation bemüht und kündigte an, „dass niemand, der sich friedlich raustragen lässt, festgenommen oder erkennungsdienstlich erfasst wird.“ Die Antwort der Aktivisten: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut.“
Dann begannen Polizisten damit, die ersten, am Rande stehenden oder sitzenden Demonstranten weg zu tragen. Während dieser über einstündigen Aktion kam es zu kleineren Zwischenfällen. Polizisten wurden mit Farbe bespritzt, mit der sich die Aktivisten zuvor bemalt hatten. Daraufhin ertönte es aus dem Lautsprecherwagen der Polizei: „Wenn Sie das nochmal machen, werden Sie festgenommen.“ Wieder gab es eine Antwort aus dem Camp, wo sich die Occupisten ebenfalls mit einem Mikrofon samt Lautsprecher ausgestattet hatten: „Die Farbe ist wasserlöslich.“ Allerdings waren auch nicht alle mit dieser Aktion einverstanden. Nach einer kurzen Diskussion trugen zwei junge Männer eines der Plantschbecken aus der Sitzblockade heraus.
Die Polizei ihrerseits reagierte nun mit mehr Härte und verdrehte manchen Aktivisten beim raustragen das Ohr oder packte härter zu, als nötig. Schließlich stürmten Beamte in weißen Schutzanzügen in die Menge und nahmen diejenigen, die mit Farbe spritzten, fest. Inzwischen war das ganze Occupy-Camp voller Polizisten. Trotz allem verlief die Räumung überwiegend friedlich. Ein am Rande stehender Polizist, der immer noch eine rote Rose in der Hand hatte, die ihm Aktivisten zuvor geschenkt hatten, meinte: „Solange es nur Wasserfarbe ist, geht es ja.“
Auch die meisten Occupisten zeigten sich zufrieden. „Es war ein lauter, friedlicher und entschlossener Protest“, meinte Tino aus dem Camp. „Und bis auf ein paar Schmerzgriffe der Polizei war die auch relativ friedlich.“ Dennoch gab es bei dem Einsatz, an dem laut einem Polizeisprecher mehrere Hundert Beamte teilnahmen, 13 Festnahmen.
Occupy-Camp ist vorerst aufgelöst
Der letzte Demonstrant, der sich aus dem Camp begab, war ein älterer Mann, der sich in mehreren Metern Höhe auf dem großen Euro-Zeichen vor der EZB befand. Er kletterte freiwillig herunter und wurde hinausgeführt. Damit ist das Occupy-Camp, wo seit sieben Monaten Menschen friedlich protestieren, vorerst Geschichte. Ob die Occupisten nach dem 20. Mai wieder zurückkommen dürfen, ist bisher unklar.
Die bunt bemalten Aktiven ließen sich davon aber nicht abschrecken und versammelten sich vor der von der Polizei eingerichteten Sicherheitszone, um gemeinsam zu einer Veranstaltung in das DGB-Haus zu laufen. Aus sicherer Entfernung beobachteten auch etliche Banker der EZB das Geschehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Russland droht mit „schärfsten Reaktionen“
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Diskussion um US-Raketen
Entscheidung mit kleiner Reichweite