Gift in Lebensmitteln: "Den Kontrolleuren rutscht viel durch"

Staatliche Lebensmittelprüfer finden nur 40 Prozent der Ackergifte in Obst und Gemüse, kritisiert die Chemikerin Silke Bruns.

Gemüse: nicht so gesund wie es aussieht. Bild: ap

Frau Bruns, die staatlichen Lebensmittelüberwacher finden bei ihren Tests nur knapp 40 Prozent der Pestizide, die weltweit zugelassen sind. Warum?

Silke Bruns: Es wird überwiegend nach solchen Pestiziden gesucht, die mit Multimethoden ermittelt werden können - das heißt, das Labor macht einen Test, mit denen gleich sehr viele Stoffe gefunden werden können. Das ist sehr effizient, doch nicht alle der 1.350 Pestizide, die weltweit angemeldet wurden, können so ermittelt werden. Einige Stoffe muss man in Gruppen oder sogar einzeln suchen.

Ist es leichter, solche Wirkstoffe herzustellen, als sie hinterher aufzuspüren?

Sie müssen sich vorstellen, dass Sie eine Paprika, eine Erdbeere oder eine Tomate untersuchen und Sie nicht wissen, wonach sie suchen. Das ist ein anspruchsvolles chemisch-analytisches Problem. Darum rutscht viel durch.

Was findet man nicht?

Vor allem Stoffe, die man mit aufwendigen Methoden ermitteln muss, oder andersherum: Man sucht, was leicht zu finden ist. Ethephon, das Früchte schneller reifen lässt, findet man nur mit Einzelmethoden, sogenannte saure Herbizide nur in Gruppenmethoden. Diese Mittel werden oft dort eingesetzt, wo Unkraut massiv die Ernte stört, etwa bei Möhren. Zwischen Ernte und neuer Saat spitzt der Bauer das Herbizid aufs Feld - und dort wächst dann nichts mehr außer der Möhre. Das Problem ist, dass die Stoffe im Boden bleiben und von dem Gemüse aufgenommen werden können.

Sind die Stoffe, die man nicht findet, besonders gefährlich?

Nein, aber auch nicht harmlos. Ob nach einem Wirkstoff gesucht wird, hängt eben nicht davon ab, wie giftig er für Mensch oder Umwelt ist. Sondern wie effektiv man ihn entdecken kann.

Wie können die Labors in die Lage versetzt werden, alle Pestizide aufzuspüren?

Indem man nur solche Stoffe zulässt, die in effizienten Multiverfahren bestimmt werden können.

Wäre die Industrie denn in der Lage, nur noch solche Wirkstoffe herzustellen?

Nein. Das liegt zum einen in der Chemie der Pestizide. Die Industrie engagiert sich aber auch nicht sehr dafür, ihre Stoffe auf die Tauglichkeit von Multimethoden zu überprüfen. Allerdings gibt es eine erfreuliche Tendenz: Die Labore arbeiten an Technologien, mit denen Einzelmethoden zusammengefasst werden können - da sind dann mehr Stoffe im Fokus.

Wer gewinnt das Rennen zwischen Herstellern und Kontrolleuren?

Die Analytik verbessert sich rasant, es werden immer mehr Pestizide entdeckt. Dabei gibt es die Tendenz, dass die Menge der gefunden Stoffe zurückgeht, ihre Anzahl aber steigt. Es wird also von einem Mittel weniger aufs Feld gespritzt, dafür sind es aber mehrere Pestizide hintereinander. Diese Entwicklung haben die Lebensmittelkontrolleure lange Zeit verschlafen. Jetzt müssen wir die Kombinationswirkungen von Pestiziden erforschen.

INTERVIEW: HEIKE HOLDINGHAUSEN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.