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Gewerkschaftstag Textil–Bekleidung nun doch nicht unverblümt

■ Ausladung von Bundesarbeitsminister Blüm wegen § 116 auf dem Kongreß der GTB von Delegierten abgelehnt / Auch Ministerin Süssmuth hegt Zweifel an Blüms Gesetzgebung

Aachen (dpa) - Die DGB–Gewerkschaft Textil–Bekleidung (GTB) hält an ihrer Einladung für Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) fest. Er wird am Donnerstag vor dem 15. Ordentlichen Gewerkschaftstag der GTB in Aachen sprechen. Mit großer Mehrheit lehnten die 210 Delegierten am Montag zwei Anträge ab, nach denen der Tagesordnungspunkt „Ansprache des Bundesminister für Arbeit– und Sozialordnung“ ersatzlos gestrichen werden sollte. Die Antragsteller verwiesen dabei vor allem auf die Haltung des Ministers in der Auseinandersetzung um den sogenannten Streikparagraphen 116 des Arbeitsförderungsgesetzes. In der Diskussion betonte der Gewerkschaftsvorsitzende Berthold Keller, der Vorstand habe Verständnis für den Wunsch, Blüm auszuladen. Es sei aber nicht im Interesse der Mitglieder, daß „wir uns selbst einen Maulkorb umbinden“. Auch sollte die GTB darauf verzichten, „ausgerechnet Norbert Blüm in den Stand eines Märtyrers zu erheben“. Der stellvertretende GTB–Vorsitzende Hermann Paschen nannte es eine Grundsatzfrage, ob die Gewerkschaften ihre Gesprächsbereitschaft bekunden - „auch mit den Arbeitgebern und Politikern, die nicht immer ihre Meinung teilen“. Bundesfamilienministerin Rita Süssmuth (CDU) erklärte auf dem Kongreß, sie würde sich für eine Rücknahme des von der Gewerkschaft bekämpften Beschäfti gungsförderungsgesetzes einsetzen, wenn es sich „tatsächlich weitgehend als Benachteiligung für die Frauen erweisen sollte“. Sie werde eine wissenschaftliche Untersuchung zu den befristeten Arbeitsverhältnissen nach diesem Gesetz in Auftrag geben. Der pauschale Vorwurf, das Blümsche Beschäftigungsförderungsgesetz führe zu einer „Ersetzung von Normalarbeitsverhältnissen durch instabile Beschäftigungsformen und nicht zusätzlichen Einstellungen“, sei durch die Wirklichkeit bisher nicht belegt worden. Ein „schlagendes und verwerfliches Beispiel“ für den Versuch, den DGB in den Wahlkampf hineinzuziehen, sieht DGB–Chef Ernst Breit in dem „Hochspielen der unbestrittenen Probleme“ des DGB mit dem gewerkschaftseigenen Wohnungsbaukonzern Neue Heimat. Mit diesen Vorwürfen hatte Breit am Sonntag den GTB– Kongreß eröffnet. Der DGB habe für die Fehler bei der Neuen Heimat bitter bezahlt - „finanziell, aber auch durch den moralischen Schaden, den die Gewerkschaftsbewegung durch den Skandal erlitten“ habe. Die Gewerkschaften hätten sich jedoch nicht aus ihrer Verantwortung gegenüber den Mietern und Beschäftigten gestohlen.

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