Gesundheitswesen: Ärzte behandeln sich selbst

Kommende Woche werden zahlreiche Arztpraxen geschlossen bleiben. Die Mediziner protestieren damit gegen das niedrige Budget für Behandlungen.

Ärzte meinen's ernst Bild: DPA

Viele Patienten werden nächste Woche Schwierigkeiten haben, einen Arzt zu finden. Das "Bündnis Berliner Kassenärzte" hat am Dienstag Praxisschließungen vom 23. bis zum 30. Juni angekündigt. Sprecher Albrecht Scheffler geht davon aus, dass sich bis zu 35 Prozent der niedergelassenen Ärzte in Berlin an der Aktion beteiligen. Damit protestieren sie gegen die ihrer Meinung nach zu niedrigen Budgets für Behandlungen. Demos sind aber nicht zu erwarten: In dieser Zeit nehmen die Mediziner an Fortbildungen teil, so Scheffler. Ende Juni beraten die Bundesausschüsse über die Festlegung der ab 2009 einzuführenden Arzthonorare.

Mit den Schließungen will das Bündnis erwirken, dass die Bundesregierung die gesetzlichen Krankenkassen per Gesetz verpflichtet, mehr Geld für die ambulante medizinische Versorgung bereitzustellen. Berliner Ärzte, so Sprecher Scheffler, bekämen 35 Prozent ihrer Leistungen nicht mehr von den Kassen bezahlt. Das "hohe medizinische Versorgungsniveau" könne derzeit nur aufrechterhalten werden, weil die Ärzte über ihr Budget hinaus - und damit ohne Bezahlung - arbeiten.

Das entstandene Defizit belaufe sich laut Scheffler bundesweit auf mindestens 4,5 Milliarden Euro, in Berlin hätten den Ärzten im vergangenen Jahr etwa 300 Millionen Euro gefehlt. Die Mediziner würden daher nicht nur den Ausgleich des Defizits fordern, sondern auch das Ende der Budgetierung ärztlicher Leistungen.

Letztendlich sei es immer der Patient, der unter der schlechten Budgetierung leide, glaubt Scheffler. "Patienten müssen bis zu sechs Monate auf einen Termin beim Kardiologen warten", sagt er. "Und wer wegen Heuschnupfens zum Arzt geht, der bekommt anstatt einer Therapie ein Allergiemittel verschrieben, das er auch noch selbst bezahlen muss."

Laut dem Bündnis Berliner Kassenärzte bekommt ein Hausarzt in der Stadt im Schnitt weniger als 16 Euro im Monat für einen Behandlungsfall, egal, wie oft ein Patient ihn in dieser Zeit aufsucht. "Wenn das so weitergeht, dann gibt es in den Praxen bald nur noch Handauflegen und Blutdruckmessen", prophezeit Scheffler.

Dass die Ärzte aufgrund schlechter Bezahlung auf die Straßen gehen, ist nicht neu. Im Januar 2006 demonstrierten in Berlin beim "nationalen Protesttag" mehr als 20.000 Ärzte, Psychotherapeuten und Arzthelferinnen gegen die drohenden Einsparungen im Gesundheitswesen. Im Februar 2006 hatten mehr als 3.000 Berliner Ärzte mehrere Tage lang ihre Praxen geschlossen, um gegen die Sparpolitik von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zu protestieren.

Kritisch beurteilt die geplante Protestaktion der Kassenärzte Katrin Markau, Mitarbeiterin der Patientenbeauftragten des Senats: "Grundsätzlich haben wir ja Verständnis für die Belange der Ärzte", sagt sie. "Aber diese Aktion wird wieder auf dem Rücken derer ausgetragen, die gar nichts für die Einsparungen in der Gesundheitspolitik können: der Patienten." Chronisch Erkrankte und vor allem Senioren könnten, so Markau, nicht einfach spontan in einen anderen Stadtteil zum nächsten Arzt fahren. "Für Menschen, die nicht so mobil sind, ist diese Situation kaum zu bewältigen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.