Gesundheitsversorgung für Illegalisierte: Körting bremst anonyme Hilfe
Die Einführung des "anonymen Krankenscheins" für Illegalisierte rückt in die Ferne. Das ist das Ergebnis einer Debatte zwischen Politikern und Gesundheitsaktivisten.
Etwas Gutes hatte die Fast-Pleite des "Medibüros": Sie bescherte dem Verein viel Öffentlichkeit und zwang die zuständigen PolitikerInnen zur Positionierung. Auf einem Podium in der Werkstatt der Kulturen trafen am Dienstagabend die PraktikerInnen auf FachpolitikerInnen verschiedener Fraktionen. Schnell wurde klar: Eine politische Lösung zur medizinischen Versorgung von "Illegalen" liegt trotz anfänglicher Versprechen in weiter Ferne. Der Hemmschuh war bald ausgemacht: "Mit Innensenator Körting wird es den anonymen Krankenschein nicht geben", war sich etwa Canan Bayram, integrationspolitische Sprecherin der Grünen, sicher.
Das Medibüro ist neben der Malteser Migrantenmedizin eine von zwei Berliner Anlaufstellen, die Menschen ohne Aufenthaltsstatus anonyme medizinische Versorgung vermitteln. Die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen des Medibüros streben aber vor allem eine politische Lösung an, bei der das Recht auf medizinische Versorgung nicht länger von Spenden und Wohltätigkeit abhängig ist.
Als das Medibüro Anfang August kurz vor der Pleite stand, versprach der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Thomas Isenberg, in der taz: Sollte die SPD in der nächsten Legislaturperiode wieder regieren - und nicht ausgerechnet mit der CDU -, dann werde der "anonyme Krankenschein" kommen. Damit wäre "Illegalen" ein Zugang zum Gesundheitssystem möglich, ohne eine Meldung bei der Ausländerbehörde fürchten zu müssen.
Von einer Regierungsbeteiligung war Isenberg auch bei der Debatte fest überzeugt, aber auf den anonymen Krankenschein wollte er sich nicht festlegen. "Momentan ist das ein Randthema in unserer Fraktion und in der Gesellschaft", hieß es nun.
"Dass wir in dieser Frage nicht weiterkommen, liegt an der harten Linie der SPD-geführten Innenverwaltung", so Jessica Groß, Mitgründerin des Medibüros. Neben Bayram verwiesen auch Isenberg und der Staatssekretär in der Gesundheitsverwaltung, Benjamin Hoff, auf Bedenken im Hause Körting. Aus der Innenverwaltung hieß es zu den Vorwürfen: "Der richtige Weg zur Hilfe ist der Weg zur Legalisierung, nicht die Aufrechterhaltung eines illegalen Status."
Im Grunde sei das ein menschenrechtsorientierter Standpunkt, so Staatssekretär Hoff. "Er ist aber nicht zu Ende gedacht, weil diesen Menschen beim Schritt in die Legalisierung eben die Abschiebung droht."
Hoff bezifferte die Kosten für die medizinische Versorgung von "Illegalen" sowie EU-Bürgern ohne Versicherungsschutz auf ca. 18 Millionen Euro im Jahr. Die müssten bei einer Integration der Betroffenen ins Gesundheitssystem die Kassen und Behörden tragen.
Leser*innenkommentare
Michael
Gast
Mit ähnlichen Fragen wurden kürzlich die Gesundheitssprecher der großen Parteien in Berlin konfrontiert.
"Sozial schwache und arme Familien haben einen unterdurchschnittlichen Gesundheitszustand. Wie soll dieser verbessert werden?"
Die Antworten gibts unter http://www.krankenversicherung.net/berlin-wahl
Ich denke auch, dass freiwillige Dienste und Spenden keine dauerhafte Lösung sein können. Als "Sozialstaat" muss da einfach mehr gemacht werden.
Peter
Gast
"Der richtige Weg zur Hilfe ist der Weg zur Legalisierung, nicht die Aufrechterhaltung eines illegalen Status."
Wann sollen denn die Betroffenen behandelt werden? Wenn sie längst Folgeschäden der verschleppten Erkrankung erlitten haben? Wenn sie ausgewiesen sind und medizinische Hilfe in ihrem Heimatland (eben nicht) erwarten können? Dieser Ausspruch ist der blanke Hohn, Aufenthaltsstatus und medizinische Notlage sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, die in Abhängigkeit zu setzen, schlicht unmenschlich.
Es geht um 18 Mio. Euro? Was hat das Dach über dem Pool vieler Banker kürzlich gekostet? Es ist natürlich richtig, dass beides angegangen werden muss. Aber eine Lösung kann es nur getrennt voneinander geben, die Realität lässt sich nicht 'greenwashen'. Illegale wird es immer geben, es sei denn, es gibt irgendwann keine Grenzen mehr.