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Archiv-Artikel

Gesundheit: Die letzte Reform Kommentar von Ralph Bollmann

Edmund Stoiber hatte gestern einen kuriosen Auftritt im Bundesrat. Ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident hielt die Eröffnungsrede zur Gesundheitsreform und geleitete so das einstige Prestigeprojekt der großen Koalition über die letzte parlamentarische Hürde. Ein Politiker, der sich mehr als ein Jahr lang nicht entscheiden konnte, ob er dieser Reform nun zustimmen wollte oder nicht. Der wie kein anderer die quälende Unlust an dem Vorhaben verkörpert. Und der sich zudem in wenigen Monaten aus seinen Ämtern verabschieden wird.

Auch Angela Merkel sprach gestern vor der Länderkammer. Allerdings nicht über die Gesundheitsreform, sondern über die glänzenden Aussichten der deutschen EU-Präsidentschaft. Die Arbeitsteilung war bezeichnend und die Botschaft nicht zu überhören: „Reform“, das war gestern. In Zukunft will sich die Koalition lieber mit erfreulicheren Themen beschäftigen. Denn der Begriff Reform, der schon seit Hartz IV nur noch als Drohung galt, hat in der Gesundheitsdebatte seinen letzten Charme verloren.

Wie hätte eine CDU-Kanzlerin auch durchsetzen sollen, was zuvor einer SPD-geführten Regierung nicht gelungen ist – die den Arbeitnehmern im Zweifel immerhin drohen konnte, im Falle eines Regierungswechsels käme alles nur noch schlimmer? Nein, eine Regierungspartei kann nur die eigenen heiligen Kühe schlachten – nicht diejenigen der anderen. Deshalb ist nach dem Sozialstaat nun die Demontage der konservativen Werte an der Reihe. In zwei Bereichen macht die große Koalition ganz unerwartete Fortschritte: Familie und Integration.

Elterngeld und Kita-Garantie. Diese Projekte Merkels und ihrer Familienministerin sind Zumutungen für die eigene, konservative Klientel. Bei der Integrationspolitik vollzieht sich der Wandel nicht ganz so rasch. Aber mit der Islamkonferenz oder dem – wenn auch unzureichenden – Kompromiss beim Bleiberecht hat sich die Union in einer Weise zum Zuwanderungsland Deutschland bekannt, die noch vor wenigen Jahren nicht vorstellbar gewesen wäre. Hier liegt offenbar auch aus Merkels Sicht die Zukunft. Die Sozialreformen sind Vergangenheit.

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