Gesellschaft: „So ein Wettrüsten überlebtder Planet nicht“
Hoher Treibstoffverbrauch, energieintensive Waffenproduktion, Flächenbrände bei Übungen: Das Militär ist eine der klimaschädlichsten Einrichtungen der Menschheit, sagt Jacqueline Andres von der Tübinger Informationsstelle Militarisierung.
Von Ralf Hutter
Frau Andres, die Bundeswehr hat in den vergangenen 15 Jahren Windenergieanlagen mit einer Leistungskapazität von etwa zwei Handvoll Atomkraftwerken verhindert. Dabei betont sie, dass sie die Energiewende grundsätzlich unterstützt. Wie glaubwürdig ist das?
Die Bundeswehr ist da in Zugzwang, wie auch das Militär anderer Nato-Staaten. Das Klima ist ein Thema geworden, zu dem sie sich äußern und verhalten müssen. Dabei wird schon seit Längerem Greenwashing betrieben. Die Bundeswehr hat zum Beispiel schon mehrmals berichtet, dass die Truppenübungsplätze dem Erhalt der Biodiversität dienen. Aber diese Biodiversität gibt es weiterhin nicht wegen, sondern trotz der Bundeswehr, deren Panzer den Boden so plattfahren, dass da erst mal nichts mehr wachsen kann. Bei der Windenergie weist die Bundeswehr dementsprechend auf die Fälle hin, wo sie kooperativ war, und nicht auf die, wo sie Windräder wegen Hubschrauberübungsstrecken oder Radaranlagen verhindert hat. In Wirklichkeit behindert sie den Umstieg auf erneuerbare Energien und treibt die Klimakrise durch Emissionen und Umweltzerstörung an.
Wo genau treibt die Bundeswehr den Klimawandel an?
Zum einen durch die Emissionen der Großgeräte bei Auslandseinsätzen und Militärübungen, zum anderen durch die Rüstungsproduktion. Für Übungen muss das ganze schwere Gerät ja erst mal transportiert werden, und dann gibt es noch die Gefahr von Unfällen. Eine klassische Gefahr ist scharfe Munition. Sie kann zu Feuern führen, selbst wenn sie erst mal liegenbleibt. Das bekannteste Beispiel dürfte der wochenlange Moorbrand im Emsland von 2018 sein. Damals führte die Bundeswehr trotz Waldbrandgefahr – man durfte nicht im Wald rauchen – eine Luft-Boden-Übung durch und beschoss von einem Hubschrauber aus das Moor. Durch eine Bundestagsanfrage des Abgeordneten Ali Al-Dailami (damals Linke, heute Bündnis Sarah Wagenknecht) kam heraus, dass die Bundeswehr für das Jahr 2022 fast 2.000 von ihr verursachte Brände zählte. Betroffen waren fast sieben Millionen Quadratmeter.
Sie haben von Großgeräten gesprochen. Was verbraucht denn so ein Panzer?
Der Leopard 2 braucht mehr als 500 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer im Gelände. Noch energieintensiver sind die Kampfjets. Der Eurofighter liegt bei 3,5 Tonnen Treibstoff pro Flugstunde, der Tornado bei über vier. Der F-35, der jetzt angeschafft werden soll, liegt bei bis zu 8,5 Tonnen.
Welchen Anteil an der Erderhitzung beziehungsweise am Energieverbrauch Deutschlands oder Europas hat denn die Rüstungsproduktion?
Dazu fehlen Studien. Es gab 2021 eine von der Linksfraktion im EU-Parlament, die grob schätzte, dass der CO2-Fußabdruck des Militärs aller 27 EU-Staaten bei 24,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr liegt. Die Datengrundlage für diese Studie war aber sehr dünn, denn es gibt keine Verpflichtung für die Rüstungsindustrie, ihre Emissionen zu dokumentieren.
Welche Entwicklung ist da abzusehen, Stichwort Aufrüstung?
Eine katastrophale Entwicklung. Im Oktober 2023 veröffentlichte das Transnational Institute in Zusammenarbeit mit Stop Wapenhandel (Niederlande) und Tipping Point North South (Vereinigtes Königreich) die Studie „Climate Crossfire“. Darin geht es um das Ziel der Nato, die Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben, und inwiefern das einen Beitrag zum „Climate Breakdown“ leistet, also zum Zusammenbruch des Weltklimas. Damit wird eine Kriegsökonomie etabliert. Der Planet wird so ein Wettrüsten nicht überleben. Es bedeutet auch einen Wettbewerb zwischen verschiedenen Ausgaben eines Staates, denn das Geld kann dann zum Beispiel nicht für Klimaschutzmaßnahmen ausgegeben werden. Das Zwei-Prozent-Ziel bedeutet eine Verschärfung der Klimakrise, dabei haben wir nicht viel Zeit zu ihrer Lösung.
Die Bundeswehr ist Teil der Bundesverwaltung. Wie soll das gehen, dass sie bis 2030 klimaneutral wird?
Sie sagt ganz stolz, dass die CO2-Emissionen in den Bereichen Mobilität und Liegenschaften schon reduziert sind. Im Nachhaltigkeitsbericht für 2022 steht, sie habe einen Emissionsrückgang um 35 Prozent seit 2005 geschafft. Nicht dazugesagt wird da, dass die Truppe heute nur 183.000 Menschen umfasst. 2005 waren es über 250.000. Der Rückgang bei den Emissionen hat also prozentual dieselbe Größenordnung wie beim Personal. Die Bundeswehr verweist als weitere Ursachen auf Photovoltaikanlagen in Kasernen, den verstärkten Einsatz von Simulatoren zum Beispiel bei der Pilotenausbildung und fast 600 elektrisch betriebene PKW in ihrem Fuhrpark. Großgeräte können aber nicht elektrisch betrieben werden. Das war mal im Gespräch, aber die Batterien dafür wären viel zu groß und schwer. Ein Akku für einen Panzer würde fast sechs Tonnen wiegen, und mit Ladestationen in Einsatzgebieten ist es auch eher schwierig. Jetzt wird an synthetischen Kraftstoffen geforscht. Das Problem daran ist, dass die mit Strom hergestellt werden. So viel Ökostrom haben wir nicht.
Im Nachhaltigkeitsbericht von 2022 wird das Projekt „Green Baracks“ hervorgehoben. Das besteht aus zehn Pilotprojekten, anscheinend in zehn Kasernen. In einem davon wird eine hundertprozentige Eigenversorgung durch Geothermie und Photovoltaik angestrebt, bei einem anderen geht es um die komplette Entkopplung von der Erdgasversorgung durch die Verwendung von Holzpellets und Wärmepumpen. Im Jahr 2022 klingt das für mich nach sehr wenig.
In Veröffentlichungen der Bundeswehr oder ihr nahen Institutionen – wie die Bundesakademie für Sicherheitspolitik – geht es auch darum, dass eine autarke Energieversorgung ein militärischer Vorteil sein kann. Kürzlich hat der Europäische Rat eine Studie namens „Greening the armies“ veröffentlicht. In diesem Bericht steht: Wenn sich Gesellschaften wegbewegen von fossilen Energiequellen, dann kann das Militär nicht weiter von Diesel und Gas abhängig bleiben. Die dafür nötige Infrastruktur nur für einen Sektor der Gesellschaft aufrechtzuerhalten wäre sehr teuer oder sogar unmöglich. Ich finde aber wichtig zu betonen: Das Militär ist mit das Umweltschädlichste, was es überhaupt geben kann, denn selbst wenn es irgendwann synthetische Kraftstoffe einsetzt – die Flugzeuge transportieren immer noch Waffen, die energieaufwändig hergestellt werden müssen und große Zerstörungen anrichten, und ein Wiederaufbau nach den Zerstörungen braucht ebenfalls viel Energie.
Dass die Bundeswehr ein Eigeninteresse an Energieautarkie in Einsatzgebieten hat, leuchtet ein. In Deutschland, wo das nicht so dringend nötig ist, wird anscheinend bisher kaum darauf geachtet.
Ja, ich stimme zu. Interessant im Nachhaltigkeitsbericht ist auch, was unter Mobilität abgehandelt wird: E-Autos, Ladeinfrastruktur, Dienstreisen, Dienstfahrräder und Jobtickets. Mich hätte da eher die Mobilität der Großgeräte interessiert, zu denen übrigens auch die Kriegsschiffe gehören. Dasselbe beim Punkt Beschaffung – da denke ich an Waffensysteme. Im Bericht geht es aber um Papier, Elektrogeräte, Möbel, Holzprodukte, Unterkunftstextilien und Bekleidung. Es ist bezeichnend, auf welche kleinen Aspekte da geschaut wird, ohne zu erheben, welche großen Emissionen durch die Bundeswehr verursacht werden. Es gibt sogar eine App, über die sich Bundeswehrangehörige darüber austauschen können, wie sie umweltfreundlicher leben können.
Gibt es aber ein Land, wo das Militär besonders ökologisch ist?
Nicht, dass ich wüsste.
Klimaschutzbewegungen sind relativ stark. Inwieweit werden da Rüstung und Krieg thematisiert?
Es gibt einzelne Gruppen, zum Beispiel Fridays for Future Tübingen, die das angesprochen haben, aber es ist nicht weit verbreitet. Extinction Rebellion und Ende Gelände haben mal Veranstaltungen dazu gemacht, aber das waren dann Ortsgruppen, nicht die Bundesebene. Ich bin zuversichtlich, dass das mehr werden wird, denn wer den Systemwandel will, wie zum Beispiel Ende Gelände, muss den Zusammenhang zwischen Kapitalismus, Krieg und Klimakrise erkennen. Klimagerechtigkeit ist nur durch Frieden möglich und umgekehrt.
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