piwik no script img

Geschönte Statistiken in Sachsen-Anhalt"Das ist unglaublich frustrierend"

Das LKA schönte in Sachsen-Anhalt die Statistik für rechtsextreme Straftaten - nicht um zu verharmlosen, sagt SPD-Innenminister Hövelmann im taz-Interview.

"Der Wille ist da": Landesinnenminister Holger Hövelmann Bild: dpa

taz: Herr Hövelmann, letzte Woche wurde bekannt, dass in Sachsen-Anhalt die Statistik über rechtsextreme Straftaten geschönt wurde. Sollten Sie nicht lieber tatsächlich etwas gegen Neonazis unternehmen?

Holger Hövelmann: Dass wir nichts gegen Neonazis unternehmen, kann uns nun wirklich niemand nachsagen. Was vom LKA im Alleingang geändert wurde, war die Zählweise in der Statistik. Straftaten, bei denen der Täter nicht feststeht, wurden nicht wie zuvor als links- oder rechtspolitisch motivierte Delikte eingeordnet, sondern als "Straftat ohne explizite politische Motivation" erfasst. Dadurch sah der Rückgang rechtsextremer Straftaten in der Statistik wesentlich größer aus als in der Realität. Ich habe sofort angeordnet, zur alten Zählweise zurückzukehren. Illegal war diese Umstellung allerdings nicht, und ich habe auch keinen Grund zu glauben, dass jemand etwas verharmlosen wollte.

Warum sonst sollte man die Kriterien plötzlich ändern?

Nach Gesprächen mit den Verantwortlichen im Landeskriminalamt ging es nur darum, eine einheitliche Zählweise entsprechend ihrer Rechtsauffassung einzuführen.

Aha.

Was ich dem LKA unter Leitung von Herrn Hüttemann zur Last lege, ist zweierlei: Erstens hätte erkannt werden müssen, in welcher politischen Brisanz wir uns bewegen, wenn wir gerade bei etwas so Heiklem wie der politisch motivierten Kriminalität Veränderungen vornehmen. Zweitens kann ich ja wohl erwarten, dass man sich vor der Änderung mit mir in Verbindung setzt. Das hat nicht stattgefunden. Ich hätte dem Vorgehen auch keinesfalls zugestimmt.

Sie sprechen sich immer wieder gegen Rechtsextremismus aus. Warum hören Ihre Untergebenen nicht auf Sie?

Wenn sie das nie täten, hätten wir nicht so hohe Aufklärungsquoten. Trotzdem: Es ist für mich eine unglaublich frustrierende Situation, dass wir immer wieder und wieder und wieder in den Apparat hinein, aber auch in die Öffentlichkeit kommunizieren, dass die Bekämpfung des rechten Randes ein Schwerpunkt unserer Arbeit ist. Und dann passieren solche Dinge, oder die Landeszentrale für politische Bildung lädt tatsächlich NPD-Mitglieder zu einer Veranstaltung ein. Bei so was denke ich mir, das darf doch nicht wahr sein.

Der Chef des LKA, Herr Hüttemann, hat am Mittwoch seinen Stuhl geräumt. War sein Rücktritt freiwillig?

Herr Hüttemann und ich hatten ein sehr langes Gespräch und am Ende hat er mich darum gebeten, ihn von seinen Aufgaben zu entbinden. Mir war klar, dass ihm persönlich kein Fehlverhalten vorzuwerfen ist, aber in einer solchen Funktion trägt man auch Verantwortung für seine Mitarbeiter.

Sie sind auch für Ihre Untergebenen verantwortlich und denen passiert ein Fehler nach dem anderen.

Ja. Das stimmt, dass ich für Fehler Verantwortung trage. Die Verantwortung besteht zunächst mal darin, dass ich die Fehler und ihre Ursachen abstellen muss.

Warum treten Sie nicht zurück?

Ich hoffe, dass wahrgenommen wird, dass ich mit Ernsthaftigkeit an die Lösung der Probleme gehe. Ob man immer alles richtig macht, ist eine andere Frage. Aber der Wille ist da.

Der Wille ist schön und gut. Aber was tun Sie konkret gegen den laxen Umgang der Polizei mit Nazis?

Nach dem Vorfall in Halberstadt, wo eine Theatergruppe von stadtbekannten Neonazis verprügelt wurde, habe ich mich in einem persönlichen Brief an alle Polizistinnen und Polizisten gewandt und gefordert, dass es keine Gleichgültigkeit im Umgang mit Rechtsextremismus geben darf. Wir sind seit Monaten dabei, mit flächendeckende Schulungsmaßnahmen nachzubessern. Aber bei rund 7800 Beamten dauert es eine Weile, bis wir jeden erreichen. Und am Ende ist es nicht nur eine Frage des Wissens, sondern der persönliche Einstellung zum Beruf.

Sie legen viel Wert darauf, einer der wenigen zu sein, die offensiv die Probleme ansprechen. Aber wieso folgen keine Taten? In Dessau beschuldigen drei Staatsschützer den Vizechef der dortigen Polizei, er hätte ihnen empfohlen, rechte Straftaten zu ignorieren. Der Vize wartet immernoch ungestraft auf seinen Ruhestand. Warum ziehen Sie keine personellen Konsequenzen?

Gegen den Vizechef wurde sofort ein disziplinarrechtliches Vorermittlungsverfahren eingeleitet. Aber die Vorwürfe haben sich nicht bestätigt. Also gibt es keinen Anlass, jemanden zu bestrafen.

Glauben Sie, dass die drei Staatsschützer lügen?

Nein, es geht nicht darum, wer lügt. Und was ich glaube, ist schon gar nicht maßgebend. Aber wenn wir keine Beweise haben, kann ich niemanden bestrafen. Allerdings gibt es ja einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der prüfen soll, ob die Polizei in sechs Fällen im Umgang mit Rechtsextremismus falsch gehandelt hat. In den nächsten Tagen werden auch der Vizechef und die frühere Polizeipräsidentin von Dessau vernommen. Ich hoffe, dass wir dadurch den Verdächtigungen ein Ende setzten können.

Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan Kramer, hat Ihnen vorgeworfen, Sie hätten Ihren Laden nicht im Griff. Mangelt es Ihnen an Autorität?

Ich weiß nicht, ob es ein Autoritätsproblem ist. Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass die Polizei ignoriert, was ich veranlasse. Ich nenne das Problem beim Namen, ich mache es öffentlich und versuche es zu beheben. Ich kann nicht erkennen, dass das falsch ist.

INTERVIEW: SARAH STRICKER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • CK
    Christian Kappert

    im alleingang also!? und was ist mit herrn wachholz aus dem innenministerium?? scheinbar wird herr hövelmann in seinem eigenen hause angelogen... peinlich peinlich

  • CK
    Christian Kappert

    im alleingang also!? und was ist mit herrn wachholz aus dem innenministerium?? scheinbar wird herr hövelmann in seinem eigenen hause angelogen... peinlich peinlich

  • CK
    Christian Kappert

    im alleingang also!? und was ist mit herrn wachholz aus dem innenministerium?? scheinbar wird herr hövelmann in seinem eigenen hause angelogen... peinlich peinlich