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■ Gertrud, Abel und das schlanke BuchEin Satz heiße Mutterliebe

Daß die konservative Germanistikprofessorin und Unternehmensberaterin Gertrud Höhler (53) im Nebenfach auch als Model für American Express und Apple Computer arbeitet, ist den LeserInnen dieser Zeitung nichts Neues. Insbesondere die Tatsache, daß sie gern gemeinsam mit Sohn Abel (27) posiert, gab Anlaß zu sog. schmähkritischer Berichterstattung in der taz. Diese mußte schließlich wegen hoher finanzieller Forderungen von seiten der Höhler eingestellt werden.

Auch bei Gertrud Höhlers neuestem Printerzeugnis (Buch?) „Wettspiele der Macht“ (Econ, 58 Mark) fehlt nicht der Verweis auf den Sohn. „Für einen jungen Manager – für Abel“ wird dem Beratungswerk für Manager als Widmung vorausgeschickt.

Ein Satz heiße Mutterliebe, an dem die zunehmende Emanzipation Abels deutlich zu werden scheint: In der Kreditkartenwerbung war er nur wohlgekämmt zu Füßen der Mutter auf dem Teppich liegend abgebildet worden. In der Apple-Anzeige wurde Abel dann immerhin schon als Filmproduzent samt Dreitagebart vorgestellt, der mit seiner Mutter Schach spielen durfte.

Glaubt man nun der Widmung, ist Abel reif für den Managertitel, erwachsen wie die Leute, die Muttis Bücher lesen. Aber nur fast. Denn da ist noch dieses perfide Adjektiv, mit dem männliche Wesen bis ins Greisenalter hinein erniedrigt werden: „Was darf's denn sein, junger Mann?“

Jetzt zum Buch selbst. Höhlers neue Beratungsfibel tut nicht mehr, als alle Merksätze aller Overhead-Folien aller Managerseminare der Welt zu versammeln. „Kommen Sie dem Partner entgegen mit kleinen Seitensprüngen aus der Fachunterhaltung“, lautet einer der tollen Tips.

Diese Binsenweisheiten werden dann noch mal zu rotgedruckten Kalendersprüchen zusammengepreßt, die Doppelseite für Doppelseite unten rechts stehen: „Was uns täglich tausendfach mißlingt, sind die Kreisläufe der Zuwendung. Sie zu beheben gelingt nur durch Training und Interesse aneinander. Die Störung im Wärmekreislauf der Gesellschaft ist zum Motivationshemmer ersten Ranges geworden.“

Gegenüber vom „Schnell-Lesedurchgang“ (O-Ton Econ) bleibt links unten der Platz ganz frei: „Für Notizen gedacht.“ Aha. Uns könnte zum Satz „Die Ordnung der Dinge in unserem Kopf stammt in der Regel aus der Vergangenheit“ eine Reflexion einfallen. „Hier besser: aus dem Regal der Vergangenheit.“

Wer wirtschaftlich liest, wird sich damit aber kaum aufhalten und darf sich darauf freuen, daß von den 464 Seiten noch weiterer kaum bedruckter Raum abgerechnet werden kann. 86 ganzseitige Grafiken verdeutlichen zum Beispiel das „Lean-Programm“ für das „Abschmelzen“ von Personal. Oder die „fraktalen Strukturen“ von Schneeflocke oder Maiskolben, die „ein Ordnungsbedürfnis befriedigen, ohne daß wir die Regel durchschauen“. Symbole für das „Chaos-Management“, die „Herausforderung an das Balancevermögen der Führung“. Bange Fragen stellen sich: „Bei welcher Chaos-Marke liegt die Chance zum Durchbruch in neue Ordnungsbegriffe?“

Wir haben uns auf die allerletzte Seite durchgeblättert. Da sind sie, die beiden Schlußsätze, so schlank wie ein modernes Unternehmen oder ein modernes Buch. Mit letzter Führungskraft lesen wir: „Je kleiner die Mannschaft an der Spitze, desto sorgfältiger muß ausgewählt werden. Überschaubare Spitzencrews erreichen mehr Glaubwürdigkeit in den Wettspielen der Macht.“

Höhler, Sie sind entlassen! Hans-Hermann Kotte

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