piwik no script img

Gerichtsbeschluss zu Occupy FrankfurtInnerhalb von Minuten wurde geräumt

Nur wenige Minuten nach einem Gerichtsbeschluss löst die Polizei das Occupy-Zeltlager in Frankfurt auf. Die Aktivisten werfen der Stadt nun Wortbruch vor.

Die Menschen müssen gehen. Räumung des Occupy-Camps in Frankfurt. Bild: reuters

FRANKFURT/MAIN taz | Am Montag wurde das seit fast zehn Monaten bestehende Occupy-Camp vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in der Bankenmetropole Frankfurt am Main von der Polizei geräumt. Obwohl dem ein seit Wochen anhaltender Streit zwischen der Stadt und den AktivistInnen vorausgeht, kam der plötzliche Polizeieinsatz für viele Occupisten doch überraschend. Denn bereits wenige Minuten, nachdem das Frankfurter Verwaltungsgericht eine Rechtsbeschwerde gegen eine Auflösung des Camps abgelehnt hatte, zog die Polizei gegen 13.30 Uhr ein Großaufgebot rund um die EZB zusammen. Etliche der Occupisten ließen sich von der Polizei wegtragen

Überraschend war die Räumung vor allem, weil sich vor einer Woche erstmals der neue Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) in den Streit eingeschaltet und gefordert hatte, vor einer möglichen Räumung „alle gerichtlichen Klärungen abzuwarten“. Dies ist nun nicht geschehen. Die Occupisten hätten das Urteil noch vor dem hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) anfechten können. Das haben sie auch vor.

Oberbürgermeister Feldmann war am Montag für die taz nicht zu sprechen. Eine Sprecherin des Ordnungsdezernenten Markus Frank (CDU) sagte, das Frankfurter Gericht ließe „keinen Zweifel in seiner Begründung“. Deshalb „würde auch der VGH nicht anders entscheiden“. Außerdem spielten die Protestierenden „nur auf Zeit“.

Zuvor lehnten diese ein Angebot des Ordnungsdezernats ab, in dem dieses gefordert hatte, die Grünanlagen bis Montagmorgen zu räumen. Im Gegenzug wurde den AktivistInnen ein kleiner Infostand mit drei Zelten am benachbarten Willy-Brandt-Platz sowie ein „symbolisches Zelt unter dem Euro-Zeichen“ zugesagt. „Damit sind wir den Protestierenden sehr entgegengekommen“, sagte die Sprecherin des Ordnungsdezernats.

Aktivist Jay hält dagegen: „Das ist nicht ernst zu nehmen, damit versucht man, uns mundtot zu machen.“ Als Banken- und Kapitalismuskritiker am 15. Oktober 2011 die Grünfläche vor der EZB besetzten, reagierte die Stadt zunächst wohlwollend und genehmigte das Camp. „Am Anfang gab es keine Probleme“ sagt Aktivist Thomas. „Doch nachdem die Behörden realisiert haben, dass wir bereit sind, unseren Protest dauerhaft zu etablieren, hat sich das geändert.“ Mitte Mai wurde das Camp im Zuge der europäischen Blockupy-Protesttage von der Polizei erstmals zwangsgeräumt – allerdings durften die Aktivisten ihre Zelte schon wenige Tage später wieder bewohnen.

„Kein politisches Camp mehr“

Dies hat sich nun geändert. Doch anstatt ihre Zelte, wie von der Stadt gefordert, bis Ende Juli abzubauen, reichten die Aktivisten einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen das Verbot ein. Dieses hatte die Stadt mit hygienischen und sozialen Problemen begründet. In den vergangenen Monaten hatte es Probleme mit Müllbergen sowie Rattenbefall gegeben. Das Gericht hatte die Stadt in ihrer Einschätzung bestätigt. Die Aktivisten vermuten dennoch eine „politische Strategie“ hinter dem Verbot: Ziel sei die protestfreie Global City.

Im Ordnungsdezernat sieht man die Sache anders. Nicht die Haltung der Stadt habe sich verändert, sondern die Zusammensetzung des Camps. Weil dieses zunehmend zum Anlaufpunkt für Obdachlose, Drogenabhängige und Romafamilien aus Osteuropa wurde, sei es kein politisches Camp mehr, so die Sprecherin.

Nachdem in der vergangenen Woche bereits das Occupy-Lager in Düsseldorf von der Polizei geräumt wurde, ist nun auch das Camp in Frankfurt Geschichte. Ein ähnliches Schicksal droht auch den Aktivisten in Kiel, die bis spätestens Ende August ihre Zeltstadt räumen sollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • M
    Max

    Die hätten da mal lieber ein paar Leute von den Grünen ins Camp lassen sollen. Wenn man sich den Dreckstall anssieht den die Aktivisten hinterlassen haben kann man nur mit dem Kopf schütteln. Haben die noch nie was von Mülltrennung gehört?

  • GK
    Gisela Kramm

    Am Sonntag, den 5.8.2012 nahm ich auf eine Einladung hin an der Versammlung des Occupy-Camps teil, die unter freiem Himmel zwischen den Zelten stattfand. Die Teilnehmer setzten sich aus allen Altersgruppen über 20 Jahre zusammen, also auch Ältere bis über 70Jahre. Es lag weder ein Geruch von "Unrat" in der Luft, noch waren Ratten zu beobachten ( sollte man das Nichtvorhandene "UnRatten" nennen?); zu hören war eine lebhafte und beispielhaft tolerante Diskussion ohne selbstgefällige Sonntagsredner. Daher denke ich, dass ich(Rentnerin) und wir alle von den OccupyBewegten lernen können.

    In den letzten 10 Monaten kam ich wöchentlich gegen 22°° nach den Proben des Frankfurter Beschwerdechors am Camp vorbei auf dem Weg zum U-Bahnaufzug. Es war so friedlich und sicher dort wie nie vorher. Öfters habe ich so spät auf einer der Parkbänke zwischen den Zelten gesessen und mich gewundert, wie relativ gut so unterschiedliche Menschen auf so engem Raum auskommen. Nun nach der Räumung muss ich wieder einen Umweg zum U-Bahnaufzug nehmen, da die Parkanlage, wo das Camp war, bei Dunkelheit wahrscheinlich wieder ein Risiko für Passanten wird wie früher.

  • T
    Thimo

    Roma, Drogensüchtige und Obdachlose zählen nicht zum politisch relevanten Volk in Deutschland, deren Anwesenheit ist nicht politisch auslegbar. Sondern die lungern den ganzen Tag rum!

     

    Schön, dass das endlich mal offen gesagt wird. Mit dem NSU, der dank hypereffektiver Repression steigenden Zahl Drogenabhängiger- und toter, sowie der zunehmenden Armut und Verarmung in Deutschland im Hinterkopf, macht das doch einen sehr guten Eindruck alles. Süchtige, Roma und Obdachlose: ihr habt keine politische Stimme mehr und eure bloße Existenz hat nichts mit Politik zu tun.

     

    Wenn Monti es nun noch schafft, die "Regierungen unabhängiger von den Parlamenten zu machen", dann können wir das auch bald von den Parlamentariern sagen. Deren politische Bedeutung ist dann die gleiche wie der Drogis, Roma und Penner. Dann kann es endlich wieder vorwärts gehen in diesem Land! Heureka!!

  • HL
    helle Leuchte

    Es ist schon manchmal erschreckend, wie verlogen die Behörden vorgehen!

    Es stellt sich hierbei die Frage wer die Schmutzkampagne mit den Ratten und mit den Roma in die Welt gesetzt hat.

    War es die Bild und die Stadt hat sich darüber gefreut?

    Oder war es die Stadt selber, die diese Lüge an die Bild delegiert hat, zuzutrauen wäre es diesem -zensiert- Ordnungsdezernten schon.

    Selbst die von der Taz als links (sollte mal revidiert werden) bezeichnete Frankfurter Rundschau ist der Lügengeschichte der Bild aufgesessen.

    Die staatlichen Instutionen haben mal wieder gezeigt, wie wenig sie mit Kritik umgehen können.

    Der Protest muss weitergehen!

  • W
    Weinberg

    Der SPD-Oberbürgermeister Feldmann ist als Tiger gesprungen und als CDU-Bettvorleger gelandet.

     

    Und die in Frankfurt in einer Koalition mit der CDU mitregierenden Grünen haben sich unsichtbar gemacht!

  • W
    wolfgm

    Es ist doch bald vorbei,

    http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/banken-reagieren-auf-schuldenkrise-bloss-raus-aus-der-euro-zone-1.1433150

     

    Danach eine neue Verfassung,ohne Parlamente mit 80% Beamte die gemeinsame Sache mit den Parasiten der Banken machen,die die Bürger verraten haben.Beamte sind Staatsdiener und nicht Staatsführer.

    Zurück zum Bürger in Uniform und nicht mit Mördern in Uniform die aus wirtschaftlichen kriminellen politischen Gründen Erpressungen,Landraub und Völkermord begehen.

     

    von www.german-foreign-policy.com/

     

    Newsletter vom 30.07.2012 - The Day After

     

    BERLIN/WASHINGTON/DAMASKUS (Eigener Bericht) - Deutsch-amerikanische

    Pläne zur Umgestaltung Syriens nach westlichem Modell stoßen bereits

    vor dem möglichen Sturz des Assad-Regimes auf Widerstände. Schon seit

    Monaten sind Regierungsberater von der Berliner Stiftung Wissenschaft

    und Politik (SWP) mit Vorbereitungen für Sofortmaßnahmen nach einem

    Umsturz in Damaskus befasst. Die Planungen werden gemeinsam mit dem

    staatsfinanzierten U.S. Institute of Peace (USIP) und etwa 45

    syrischen Oppositionellen in der deutschen Hauptstadt vorangetrieben.

    Sie zielen darauf ab, so schnell wie möglich ein prowestliches Regime

    in Damaskus zu installieren. Im Land selbst jedoch zeichnet sich ab,

    dass einflussreiche aufständische Milizen sich dem Westen keineswegs

    unterordnen wollen und auf Eigenständigkeit beharren; dies geht etwa

    aus einer Studie hervor, die exemplarisch einen militärischen Verband

    von Rebellen nahe Aleppo untersucht. Man werde, heißt es, den teils

    islamistisch orientierten Milizen größeren Einfluss auf die

    Neugestaltung Syriens zugestehen müssen. Eine stärkere Rolle

    islamistischer Kräfte in Syrien sehen auch die von der SWP und dem

    USIP in Berlin entwickelten Pläne vor. Sie sind geeignet, das Bündnis

    zwischen Syrien und Iran auf absehbare Zeit zu beenden und Teheran

    noch stärker zu isolieren.

     

    mehr

    http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58386

  • H
    HamburgerX

    Richtig so. Grünanlagen sind für alle da. Wer zu faul ist, täglich zu einer Demo zu gehen, soll keine Sonderrechte bekommen. Außerdem ist es ein Armutszeugnis für die Occupybewegung, dass nur noch die wenigsten eigentliche Aktivisten sind, sondern hauptsächlich Roma/Zigenuer das Camp zu reinen Wohnzwecken missbraucht haben. Schengen sei Dank.

     

    Inhaltlich gesehen wird die unscharfe, undefinierte Kapitalismuskritik, die viele Occupy-Anhänger vor sich hertragen, keinesfalls den aktuellen Problemen mit dem Euro bzw. Griechenland gerecht. Man muss schon sehr blind sein, den Banken eine Schuld geben zu wollen, dass Griechenland pro Einwohner vier mal so viel Beamte wie Deutschland hat und immer wieder hemmlungslos Schulden aufgenommen hat. Wo bleibt der Protest gegen verschwenderische Regierungen und einen wuchernden, ineffektiven Staatsapparat?