: Gericht nähert sich Neuwahl-Urteil
Heute berät der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, ob er die Neuwahlen im September genehmigt
FREIBURG taz ■ Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich in dieser Woche sein Neuwahl-Urteil verkünden. Davon gehen sowohl die Bundesregierung als auch Karlsruher Beobachter aus. Das Gericht prüft, ob Bundespräsident Horst Köhler das Grundgesetz verletzt hat, als er für den 18. September Neuwahlen ansetzte. Geklagt hatten die beiden Abgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hofmann (SPD).
Heute wird der Zweite Senat in Karlsruhe zusammenkommen und über das Urteil beraten. Diese nichtöffentlichen Gespräche könnten bis in den Abend dauern. Die Beratungen leitet der Senatsvorsitzende Winfried Hassemer, der zugleich auch Vizepräsident des Gerichts ist. Bei der Abstimmung haben alle acht Richter je eine Stimme. Grundlage der Verhandlungen ist ein Urteilsentwurf, den der Berichterstatter, Richter Udo Di Fabio, erstellt hat. Er wurde den anderen Richtern schon vor Tagen zugestellt. Soweit diese großen Änderungsbedarf sehen, legen sie schriftliche Alternativentwürfe für bestimmte Passagen vor.
Die grundsätzliche Weichenstellung dürfte bereits gefallen sein. Wie in Karlsruhe üblich, hat der Senat direkt im Anschluss an die mündliche Verhandlung die zentralen Aussagen des Urteils diskutiert und abgestimmt. Auf dieser Grundlage hat Berichterstatter Di Fabio dann seinen Urteilsentwurf erstellt. Die heutige Beratung dient also vor allem der Klärung von Details der Begründung. Hierbei könnten immerhin auch die Anforderungen für zukünftige vorgezogene Neuwahlen präzisiert werden.
Wenn die Richter es schaffen, die Beratungen heute abzuschließen, werden sie anschließend einen Termin für die Verkündung bekannt geben. Vieles scheint auf den Donnerstag als Termin hinzudeuten. Eigentlich wollten manche Richter das Urteil bereits wenige Tage nach der mündlichen Verhandlung verkünden, „Vorsicht: Es könnte sein, dass es schneller geht“, hatte Richter Winfried Hassemer am Ende der öffentlichen Sitzung gewarnt. Doch anschließend protestierten wohl diejenigen Verfassungsrichter, die sich noch Zeit für die Formulierung eines Minderheitsvotums aufsparen wollten.
Bisher sind noch keine Informationen über das Abstimmungsergebnis nach außen gedrungen. Es gilt unter Beobachtern jedoch als ziemlich sicher, dass das Gericht die Neuwahlen nicht stoppen wird. Die Klage von Schulz und Hofmann hätte nur dann Erfolg, wenn die Argumente von fünf der acht Richter geteilt werden. In der mündlichen Verhandlung ließ aber nur Richter Hans-Joachim Jentsch deutliche Kritik an der Auflösung des Bundestags erkennen. Außerdem hätte das Gericht einen Stopp der Neuwahl wohl schon längst verkündet.
Beraten will der Senat heute auch die Klagen einiger kleinen Parteien, wie der Familienpartei, des Zentrums und der „Republikaner“. Diese hatten gerügt, dass sie bei der vorgezogenen Neuwahl trotz der verkürzten Fristen genauso viele Unterschriften für ihre Zulassung sammeln müssen wie bei einer normalen Wahl. Es wird allerdings damit gerechnet, dass das Bundesverfassungsgericht auch diese Klagen ablehnt.
CHRISTIAN RATH