Gericht I: Großes Theater vor Gericht

Die Moderatorin des transgenialen CSD ist wegen Vermummung angeklagt. Sie hatte aus Protest gegen eine Festnahme kurz eine Sturmhaube aufgesetzt. Der Prozess endet rasch.

Für die Angeklagte Samira F. ist die Situation klar: "Das ist auch ein politischer Prozess, und ich werde stellvertretend für viele andere angeklagt." Sie sitzt im lila schimmernden Kleid und einem langen Mantel mit Leoparden-Applikationen im Amtsgericht auf einem Stuhl, den sie freilich nicht als Anklagebank begriff: "Wir haben den Prozess, der eigentlich eine Farce ist, durchgezogen, um die Polizei anzuklagen."

Samira F. war auf dem letztjährigen transgenialen CSD, einer Abspaltung des als zu kommerziell kritisierten Christopher Street Day (CSD), festgenommen worden. Sie habe eine Skimaske getragen und damit gegen das Versammlungsgesetz verstoßen, so die Anklage. 300 Euro sollte das laut Strafbefehl kosten.

Bei ihrer Aussage beschuldigt Samira F. hingegen die Polizei, von Beginn an konfrontativ vorgegangen zu sein. Sie wirft der 23. Einsatzhundertschaft vor, diese sei rigoros und gegenüber den schwulen oder lesbischen TeilnehmerInnen der Demo zuweilen verächtlich aufgetreten. So sei bereits am Beginn der Veranstaltung in der Karl-Marx-Allee eine Person festgenommen und im Polizeiwagen geschlagen worden, weil sie ohne Führerschein ein Auto gefahren habe. Später sei eine andere Teilnehmerin festgenommen worden, da sie ihr Gesicht mit einem hautfarbenen Büstenhalter vermummt hätte.

Samira F. gibt vor Gericht zu, als Moderatorin der Veranstaltung vehement gegen diese Festnahme protestiert und in der Folge eine Skimaske aufgesetzt zu haben. Dies sei aus Solidarität mit der Festgenommenen geschehen. Sie habe nicht die Absicht gehabt, sich zu vermummen. "Als ein Polizist mir sagte, das sei Vermummung, habe ich geantwortet: Quatsch, das ist Theater." Zusammen mit ihrer Partnerin hatte sie als Duo "Pony und Kleid" die Demonstration moderiert und war die überwiegende Zeit für alle erkennbar gewesen.

Dies war für den Richter der entscheidende Sachverhalt, die Verhandlung bereits nach der Aussage der Angeklagten abzubrechen und Samira F. freizusprechen. Es habe keine Absicht bestanden, die Identität zu verschleiern, so der Richter.

Rund 30 SympathisantInnen sind zu dem Prozess gekommen und haben sich teilweise dem Anlass entsprechend aufgehübscht. Ganz in Schwarz und mit glitzernden Ohrringen oder in einem langen hautengen Abendkleid posieren einige vor dem Saal. In ihren Gesichtern erkennt man die Erleichterung über das Urteil. "Unser Ziel ist, das Vermummungsverbot durch solche Urteile Stück für Stück aufzuweichen", sagt ein Zuschauer des Prozesses.

"Ich hätte gerne gehabt, wenn der Polizeizeuge noch gehört worden wäre", erklärt Samira F. nach der Verhandlung. "Für mich ist es unverständlich, dass die 23. Einsatzhundertschaft für solch ein Event wie den transgenialen CSD eingesetzt wird. Wie es dazu kam, hätte ich gerne gewusst." Bisher sei es in der zehnjährigen Geschichte dieser Veranstaltung nie zu Konfrontationen mit der Polizei gekommen, auch habe es bisher keine Festnahmen gegeben.

Ob es dieses Jahr aber einen transgenialen CSD geben wird, ist unklar. Bisher existiert keine Organisationsgruppe für diese Veranstaltung. Auf einer Versammlung nächste Woche sollen die Zukunft der Veranstaltung besprochen und eventuelle Alternativen ausgelotet werden.

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