Gentech-Gegner drohen mit Boykott: Schavans Runder Tisch zu unkritisch
Biobauern und Umweltschützer fordern nach dem ersten Runden Tisch der Forschungsministerin mehr kritische Stimmen. Als Feigenblatt wollen sie nicht dienen.
BERLIN taz | Umweltschützer und Biobauern drohen mit einem Boykott des Runden Tisches zur Agro-Gentechnik, den Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) initiiert hat. "Wenn die nächste Runde nicht ausgewogener zusammengesetzt ist, hat es keinen Sinn dahin zu gehen", sagte Vizepräsident Hartmut Vogtmann vom Dachverband der Natur- und Umweltschutzverbände DNR nach dem ersten Treffen am Mittwoch. Ähnlich äußerte sich Felix Prinz zu Löwenstein, der den Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) leitet.
Schavan hatte den Runden Tisch vorgeschlagen, nachdem Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) den kommerziellen Anbau der Genmaissorte MON810 des US-Herstellers Monsanto wegen möglicher Risiken für die Umwelt verboten hatte. Für Schavan - eine ausgewiesene Befürworterin der Gentechnik in der Landwirtschaft - war das ein Affront. Sie will verhindern, dass die Technologie in Deutschland einen dauerhaften Rückschlag erleidet.
Schließlich ist MON810 die einzige gentechnisch veränderte Pflanze, die in der Europäischen Union für den kommerziellen Anbau zugelassen ist. Mit dem Runden Tisch wollte Schavan die Diskussion nach eigenen Worten "versachlichen".
Doch zu dem Treffen in Berlin hatte die Forschungsministerin gemeinsam mit Aigner laut BÖLW nur sechs Kritiker der Gentechnik eingeladen. Die übrigen etwa 25 Teilnehmer waren vor allem Gentechnik-freundliche Forscher und Vertreter der Industrie.
Entsprechend harsch fiel die Kritik von BÖLW und DNR aus: Ein Vorstandsmitglied des Chemiekonzerns BASF habe "einen Werbevortrag" für die Technologie gehalten, sagte Löwenstein. "Das klang mir nicht nach Dialog." Vogtmann nannte die Referate "einseitig": "Ich wäre beinahe rausgegangen."
Besonders ärgert die beiden, dass Schavan die Frage in den Mittelpunkt stellte, "Welchen Beitrag die Gentechnik zur Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung leisten" könne. Dabei hatte sie kein einzige Entwicklungsorganisationen wie Misereor oder EED einzuladen. Doch diese könnten am besten beurteilen, wie sich die Gentechnik auf Kleinbauern und Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern auswirke.
Für Schavan war das Gespräch dennoch ein "gelungener Auftakt für einen neuen Dialog über eine wichtige Zukunftstechnologie". Es gebe "kein schlichtes 'Weiter so!'" Die Ministerin forderte, dass die deutsche Forschung international besser aufgestellt werden müsse. Die Bedenken müssten aber auch ernst genommen werden.
Agrarministerin Aigner kündigte an, beim nächsten Termin solle es um die Erforschung der Risiken der Gentechnik gehen. Das Treffen wird voraussichtlich im Juli stattfinden.
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