Genozid an den Armeniern: US-Kongress schaut deutsche Doku
US-Parlamentarier sehen am Mittwoch einen deutschen Film über den Genozid an den Armeniern. Dies hängt mit einem politischen Entscheidungsprozess zusammen.
Mit der Dokumentation "Das Schweigen der Quandts", die 2008 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde, gelang dem Filmemacher Eric Friedler etwas Besonderes. Das Werk provozierte eine Diskussion über die Rolle der berühmten Industriellenfamilie im Nationalsozialismus, weshalb diese sich schließlich gezwungen sah, eine wissenschaftliche Untersuchung ihrer eigenen Rolle in dieser Zeit in Auftrag zu geben. Mehr kann ein Film eigentlich nicht erreichen. Vielleicht aber doch.
Am 21. Juli wird eine englische Version von Friedlers aktuellem Film "Aghet - ein Völkermord" im US-Kongress gezeigt - auf Einladung einiger Abgeordneter. Für eine deutsche TV-Produktion ist das Kapitol in Washington zweifellos ein ungewöhnlicher Vorführungsort.
In dem Dokudrama, das am 13. April im Ersten Programm der ARD zu sehen war und am 6. September noch einmal im NDR-Fernsehen gezeigt wird, geht es um den Genozid der Türken an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs - eine historische Tatsache, die von der türkischen Regierung weiterhin geleugnet wird. In dem Film tragen prominente Schauspieler (Martina Gedeck, Axel Milberg) in interviewähnlichen Situationen schockierende Lageberichte deutscher und amerikanischer Diplomaten vor.
Einige Kongressabgeordnete, mit denen der NDR-Redakteur für den Film Interviews geführt hatte, haben "Aghet" bereits gesehen. Zu Wort kommt dort unter anderem der Demokrat Adam B. Schiff, der die Frage aufwirft, warum beim armenischen Völkermord international seit fast hundert Jahren diplomatische Zurückhaltung geübt wird. Das Interesse der US-Parlamentarier an "Aghet" rührt unter anderem daher, dass es bei ihnen, so Friedler, "ein grundsätzliches Erstaunen darüber gab, welche deutschen Dokumente letztendlich in dem Film drin waren".
Hintergrund: Das deutsche Kaiserreich war der engste Bündnispartner der Türkei im Ersten Weltkrieg, und Friedler weist minutiös nach, dass man in Berlin Kenntnis von dem Genozid hatte und ihn duldete; er lässt seine Schauspieler entsprechende Berichte deutscher Diplomaten schildern. Für einige Kongressmitglieder sei der Beweis für die deutsche Mitschuld auch ein Beleg für die türkische Schuld, sagt Friedler. Die Argumentation der Politiker: Warum sollten die Diplomaten eines Verbündeten gestehen, sie hätten etwas gesehen, was gar nicht stattgefunden hat?
Die Einladung, den Film im Kongress zeigen zu dürfen, hängt mit einem politischen Entscheidungsprozess zusammen. "Die Frage, die sich zurzeit in Amerika stellt, ist, ob eine Resolution des Auswärtigen Ausschusses vom März dieses Jahres, die eine Anerkennung des Völkermords an der Armeniern fordert, es bis ins Plenum des eigentlichen Kongresses schafft und dort bestätigt wird", sagt Friedler. Bereits 2007 hatte der Auswärtige Ausschuss eine Armenien-Resolution verabschiedet, diese hatte es aber aufgrund des Widerstands von George W. Bush und seiner Administration nicht bis ins Plenum geschafft.
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