Gemeinschaftsgefühl und Erfolgserlebnisse

Die Ferienzeltstadt „HöVi-Land“ in Vingst ist für hunderte Kinder aus sozial benachteiligten Familien ein alljährliches Großereignis. Inzwischen sind unter dem HöVi-Dach ganzjährige Initiativen vereinigt, die Jugendliche fördern

Köln taz ■ Das „HöVi-Land“ bildet in Köln so etwas wie einen eigenen kleinen Kontinent. Entstanden ist die Kinderferienzeltstadt vor gut zehn Jahren in den Nachbarvierteln Höhenberg und Vingst (HöVi). Mit ihrem vergleichsweise hohen Anteil an Arbeitslosen, Sozialhilfeempfängern und Immigranten gelten diese Gebiete als „soziale Brennpunkte“. Entsprechend sind die Aussichten für den Nachwuchs. Viele Kinder sind unzureichend ernährt und zeigen Verhaltensauffälligkeiten. Ein Jahresurlaub ist für die meisten Eltern unerschwinglich. Abgesehen von Kneipen und Spielhallen bieten sich im Stadtteil nur wenige Freizeitmöglichkeiten.

Die damaligen Stadtranderholungsfahrten der katholischen Gemeinde sorgten zumindest im Sommer immer für etwas Abwechslung. 1994 konnte die Kirche jedoch den dafür erforderlichen Bus nicht mehr finanzieren. „Daraufhin haben wir die Stadtranderholung ins Dorf geholt“, erinnert sich die evangelische Jugendleiterin Petra Kempe. Zusammen mit dem damaligen katholischen Pfarrer Ansgar Puff gründete Kempe das „HöVi-Land“. Nachdem beide Initiatoren die Unterstützung ihrer jeweiligen Gemeinden gewonnen hatten, entstand noch im gleichen Jahr auf einem Vingster Freigelände die Kinderferienzeltstadt „HöVi-Land“.

Mittlerweile ist das Ferienland hinter dem Freibad in Vingst für rund 600 Kinder aus zumeist sozial benachteiligten Familien zu einem alljährlichen Großereignis geworden, bei dem sie zum ersten Mal so etwas wie ein Gemeinschaftsgefühl erleben. Rund 220 Mitarbeiter, darunter viele Ehrenamtler aus dem Veedel, kümmern sich um Planung und Organisation.

Jedes Jahr werden unter einem Motto drei Wochen lang Workshops und Ausflüge durchgeführt. Das Motto für den Sommer 2004 wird lauten: „Bunte Gesichter machen Hövi-Geschichten“. Ausgerufen wird die „Kinderstadt“ jedes Jahr durch den Pfarrer Franz Meurer. Der tatkräftige Meurer, alternativer Ehrenbürger Kölns und schon häufig im Mittelpunkt von Fernsehreportagen, machte durch sein Engagement den Begriff „HöVi“ bundesweit bekannt.

Inzwischen haben sich zahlreiche „Inseln“ gruppiert, deren Aktivitäten unter dem Begriff „HöVi“ vereinigt sind. Hierzu zählen neben der Ökumenischen Familienwerkstatt und dem Spielebus auch zahlreiche ganzjährige Projekte für gefährdete Jugendliche. Um sie kümmert sich seit Oktober 2001 der HöVi-Jugendstadtteilmanager Andreas Hildebrand.

„Wir wollen die Jugendlichen auffordern, selbst aktiv zu werden“, erläutert der Sozialpädagoge. Immer wieder sorgen in Höhenberg und Vingst gewaltbereite Jugendcliquen für Ärger. Ein hoher Prozentsatz hat weder einen Schulabschluss noch einen Ausbildungsplatz. Projekte wie das von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Schulungszentrum „HöVi-Online“ oder das „Freiwillige Soziale Trainingsjahr“ namens „HöVi-Workstation“ sollen für diese Jugendlichen Erfolgserlebnisse schaffen, die Eigenverantwortung fördern und damit die Zukunftschancen verbessern. Weil die kirchlichen und staatlichen Gelder knapp sind, versucht seit 2001 der Förderverein „Pro-Hövi“ die langfristige Finanzierung zu sichern. Unterstützt werden aber auch Eltern, die für ihre Kinder nicht das Geld für eine Übermittagsbetreuung oder das Schulessen aufbringen können. Sechs Stunden am Tag kümmert sich „Pro-HöVi“-Geschäftsführerin Silvana Becker ehrenamtlich um Sponsoren und Spender. Ein hoher persönlicher Einsatz, den die ehemalige Chefsekretärin aber gerne leistet, um nach ihren Worten „das Leben für alle Bewohner im Viertel lebenswerter zu machen.“ Bernd Hoffmann

Hövi-Land, 25. 7 bis 13. 8; Infos: 0221/870 81 58, www.pro-hoevi.de