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Archiv-Artikel

■ Gemeinsames Sorgerecht für Ledige? Was nützt dem Kind?

betr.: „Vater sein bleibt schwer“, „Die Mutter hat das Sagen“, taz vom 30. 1. 03

Ich verstehe die Aufregung nicht: Es gibt derzeit zwei Möglichkeiten, die Ehe oder eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft. Wenn die (werdenden) Eltern weiter gehende Verpflichtungen füreinander eingehen wollen, dann können sie heiraten. Wenn nicht, dann sind halt die Rechte auch geringere.

In meinem Umfeld kenne ich einige allein erziehende Mütter, wo sich die Väter entspannt „verpisst“ haben. Wenn so ein Kerl dann auf einmal auf gemeinsames Sorgerecht klagen könnte, wäre das ziemlich absurd. THOMAS SCHULZ, Göttingen

Auf der einen Seite beklagt unsere Gesellschaft, dass sich Väter zu wenig um ihre Kinder kümmern. Und da sind Väter bereit dazu und erhalten keine rechtliche Grundlage. Wieso geht unsere Gesetzgebung davon aus, dass Mütter grundsätzlich aus lauteren Absichten und zum Wohle ihrer Kinder handeln, nicht verheiratete Väter im Zweifelsfall aber nicht?

Ich erlebe im Freundeskreis gerade einen Fall, wo ein Vater sich intensiv um seine neunjährige Tochter kümmert. Er holt sie täglich von der Schule ab, kocht für sie, überwacht ihre Hausaufgaben, geht mit ihr zum Arzt, spielt mit ihr, erzieht sie, betreut sie bis abends … Er zahlt mehr Unterhalt als gesetzlich vorgeschrieben. Er arbeitet als selbständiger Unternehmer morgens und nachts in seinem Betrieb, um tagsüber Zeit für sein Kind zu haben. Es besteht eine ganz innige Beziehung zwischen Vater und Tochter. Dennoch verweigert ihm die Kindsmutter willkürlich und ohne Angabe von Gründen das gemeinsame Sorgerecht. Und setzt das Kind als Druckmittel ein. Als nicht verheirateter Vater habe er zwar die Pflicht zu zahlen, jedoch keinerlei Rechte.

Es geht nicht darum, nicht verheirateten Vätern automatisch das gemeinsame oder gar das alleinige Sorgerecht zu geben. Vielen Vätern wäre schon geholfen, wenn das Bundesverfassungsgericht eingeräumt hätte, den Einzelfall gerichtlich prüfen zu lassen. GABRIELE KLÖCKNER, Geldern

Als Betroffene bezüglich des Gesetzes für nichteheliche Väter und das gemeinsame Sorgerecht bin ich enttäuscht über die Einseitigkeit, mit dem Sie in Ihrem Kommentar gegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes argumentieren.

Derzeit gibt es sehr militante Väterorganisationen, die massive Hetze gegen Mütter betreiben. Jahrelang wurden die Väter, auch im Familienrecht, bevorzugt. Nun hat sich die Lage geändert und nun wird ständig von Müttern geredet, die ihren Kindern schaden, in dem sie ihnen den Kontakt zu den Vätern vorenthalten würden. Hat jemals jemand intensiv mit diesen Müttern geredet? Kennt man deren Gründe? Ich bezweifle nicht, das es einige Mütter gibt, die aus Rache, Enttäuschung, Wut oder Verletzung dem Vater das Kind entziehen wollen und auch manipulativ einwirken. Das ist natürlich nicht richtig. Grundsätzlich muss man aber sehen, dass Kinder, deren Eltern sich permanent gestritten haben und sich daher trennen, nicht davon profitieren, wenn sie gegen den Willen der Mutter, bei der das Kind noch in 80 % der Fälle lebt (zum Großteil mit dem Einverständnis der Väter), dazu gezwungen werden, sich über „wichtige“ Dinge einig zu werden. Das führt erfahrungsgemäß zu Streit, der auch nicht zum Wohl des Kindes sein kann. Es gibt genügend Fälle, in denen Väter, die das gemeinsame Sorgerecht haben, den Müttern das Leben zur Hölle machen dadurch, dass sie jede zu treffende Entscheidung durch endlose Machtkämpfe erschweren. Es gibt also nicht nur Mütter, die den Vätern das Leben zur Hölle machen, sondern es geht auch umgekehrt. Das väterliche Engagement hängt auch nicht wirklich vom Sorgerecht ab. Es ist ein Artefakt zu glauben, dass das Kindswohl unabhängig vom Wohl der Eltern zu betrachten sei. […]

Wenn Eltern ihre Konflikte nicht lösen können, werden Kinder immer leiden. Kein Gericht kann wirklich die tiefer liegenden Konflikte lösen, die oft hinter Sorgerechtsverweigerungen oder sogar Umgangsvereitelungen stecken. Selbst in Fällen, in denen Eltern aus Rache die Kinder vorenthalten, sind am Ende immer die Kinder die Leidtragenden. Auch dann, wenn ein Gericht den Umgang verfügt. Auch dann leiden sie. Es sind durch die Kindschaftsrechtsreform 1998 schon gute Schritte eingeleitet worden, aber nun ist es auch gut, wie das Bundesverfassungsgericht im Fall nichtehelicher Väter entschieden hat. […]

MELANIE MATZIES, Berlin