Geheimniskrämerei: Hinter verschlossener Tür
Wer sollte zuerst die Details über Grundstücksdeals des Landes erfahren? Nur die Abgeordneten - oder gleich die ganze Öffentlichkeit?
Wie viel Transparenz sollte es geben, wenn der Senat ein Grundstücksgeschäft mit einem Investor abschließt? Und wann sollten die Informationen an die Öffentlichkeit? Der Vorsitzende des Vermögensausschusses im Abgeordnetenhaus, Karlheinz Nolte (SPD), setzt sich dafür ein, dass Verschlusssachen auch unter Verschluss bleiben – und dass die Abgeordneten früher informiert werden als die Allgemeinheit. Die Piraten und die Grünen plädieren hingegen für mehr Transparenz.
Anlass für die Diskussion ist der Kauf des Mauerpark-Grundstücks durch das Land Berlin. Am 7. November diskutierte der Vermögensausschuss über das geplante Geschäft. Zur Vorbereitung erhielten die Ausschussmitglieder vorab zwei als vertraulich eingestufte Papiere: Den Vertrag zwischen Senat und Investor sowie eine Stellungnahme der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vor. Auch die taz gelangte an die Papiere und veröffentlichte sie am Abend vor der Ausschusssitzung auf taz.de.
Die Weitergabe von vertraulichen Dokumenten „ist der parlamentarischen Arbeit und dem Ansehen des Parlaments nicht förderlich“, schreibt der Ausschussvorsitzende Karlheinz Nolte in einem Brief an Parlamentspräsident Ralf Wieland (ebenfalls SPD). Es müsse „gewährleistet bleiben, dass Vermögensgeschäfts zunächst im Parlament besprochen und erst danach öffentlich diskutiert werden“. Nolte fordert Wieland daher zu einem „erneuten Appell an alle Mitglieder“ des Abgeordnetenhauses auf, solche internen Dokumente nicht an die Presse weiterzugeben. Die taz veröffentlicht auch diesen Brief zum Download (PDF).
Geheimhaltung schadet
Der Piraten-Abgeordnete Alexander Morlang kann diese Argumente nicht nachvollziehen: „Es schadet dem Ansehen des Parlaments nicht etwa, wenn solche Verträge an die Öffentlichkeit kommen, sondern im Gegenteil: Es schadet, wenn sie geheimgehalten werden.“ Er findet: „Sobald ein Vertrag fertig verhandelt ist, muss er offengelegt werden – damit er öffentlich diskutiert werden kann, bevor er unterschrieben wird.“
Morlang unterstreicht, dass es ohnehin weit verbreitet sei, dass vertrauliche Unterlagen von Abgeordneten an die Presse gegeben werden: „Es gibt die konservativen Abgeordneten, die das an den Springer-Verlag geben und die Grünen, die es an die taz geben – aber so genau weiß man es natürlich nicht, weil die Quellen ja nie genannt werden.“ Er fordert mehr Transparenz bei Grundstücks- und anderen Geschäften: „Wir müssen langsam mal im 21. Jahrhundert ankommen.“
Der SPD-Abgeordnete Sven Kohlmeier hingegen findet, die Abgeordneten müssten Vorrang haben: „Wir freuen uns, wenn wir Sachverhalte wie vorgesehen erfahren, bevor sie in der Zeitung stehen.“ Dann habe man „die ganze Vorlage in der Hand und kann sich auf der Grundlage eine eigene Meinung bilden“.
Der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux findet es hingegen „wünschenswert, wenn die Öffentlichkeit früh informiert wird“. Das Parlament entscheide in seinem eigenen Tempo. „Aber wir werden ja in unserer Entscheidung nicht eingeschränkt, wenn die Bürger ebenfalls Bescheid wissen und das diskutieren können.“
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