Gefährliche Spielchen in Brüssel : KOMMENTAR VON DANIELA WEINGÄRTNER
In der EU gehen die Uhren anders. Manchmal werden sie sogar angehalten, damit angekündigte Ereignisse auch pünktlich stattfinden können. Mit diesem Taschenspielertrick hatte der britische Ratsvorsitzende Jack Straw in der Nacht zum Dienstag in Luxemburg dafür gesorgt, dass der Beschluss der Regierungschefs vom Dezember vergangenen Jahres, am 3. Oktober mit den Türkeiverhandlungen zu beginnen, doch noch pünktlich in die Tat umgesetzt werden konnte.
Er werde lernen, bei dieser Art von Spielchen mitzutun, hatte der türkische Außenminister Abdullah Gül bei seiner Ankunft in Luxemburg gesagt. Es sollte eine lockere Bemerkung sein – doch die Spielchen bei EU-Verhandlungen sind nicht immer harmlos.
Was der türkische Außenminister lernen kann, ist dies: Wer sich auf europäischem Parkett behaupten will, braucht nicht ehrliche Anliegen und gute Argumente, sondern ein überzeugendes Faustpfand. Wien will Kroatien mit im Boot haben. Deshalb blockierte die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik mit eisernen Nerven den Türkei-Fahrplan so lange, bis ihre Wünsche erfüllt waren. Dass Zagreb noch immer nicht ausreichend mit dem UN-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag kooperiert, spielt keine Rolle mehr.
Eine weitere Lektion dürfte Abdullah Gül schon vorher gelernt haben: Es geht nicht wirklich darum, ob ein Land fit ist für die EU oder ob es zu Europa passt. Viel bedeutsamer für eine erfolgreiche Bewerbung ist, dass sich einige Mitgliedsländer Vorteile davon versprechen, ein bestimmtes Land in die Union aufzunehmen. So verdankt die Türkei ihren Kandidatenstatus den davon erhofften strategischen Vorteilen im Nahen Osten. Nach dem positiven Signal für Kroatien dürfen sich nun auch Serbien und Montenegro Hoffnung auf Beitrittsverhandlungen mit Brüssel machen. Egal, ob sie mit Den Haag kooperieren und die Menschenrechte respektieren – ein Blick auf die EU-Landkarte zeigt, dass zwischen Griechenland und Kroatien noch eine hässliche Lücke gefüllt werden muss. Die Herzen der Menschen allerdings lassen sich mit taktischen Spielchen nicht gewinnen – die niedrigen Sympathiewerte für Europa belegen es.