Gatsby-Inszenierung in Hamburg: Träumen auf der Hochzeitstorte

Markus Heinzelmanns Inszenierung ist die bisher poppigste in Deutschland. Doch der Fokus auf den Glamour lässt das Abgründige an der Geschichte ins Leere laufen.

Riesige Torte: Der Traum vom Happy-End umgibt die Figuren. Bild: dpa

Ein Stimmengewirr beschwört den sagenumwobenen Gatsby. Sätze, Wortfetzen sind zu hören: Wie großzügig er ist, dann dieser Garten, der Privatstrand, seine vornehme Herkunft und erst der ausgezeichnete Geschmack. Diese Partygäste scheinen ihren Gastgeber wirklich mal in den Himmel zu heben, streuen nur gute Gerüchte, in die sich aber bald auch ironische Untertöne schleichen. Eine Frauenstimme zum Beispiel, die ihren Mann ermahnt, kein Gesicht zu ziehen: "Wenn Gatsby das sieht, werden wir niiiiiee wieder eingeladen."

Erkennt oder verkennt man sich hier? Das Motiv zieht sich durch die Inszenierung des "Großen Gatsby" am Schauspielhaus Hamburg, in der die Titelfigur erst mal der große Abwesende bleibt und auftaucht, als man schon denkt, man brauche ihn gar nicht. Denn im Fokus steht, wie das Reden sein Bild formt.

Erst sind es die Partygäste, dann sein Nachbar Nick Carraway, der in der Romanbearbeitung der Dramatikerin Rebekka Kricheldorf zur vielschichtigsten Figur wird. Nach Gatsbys Vorbild will er etwas aus sich machen, aber Zeit und Umstände haben sich verändert.

Stefan Haschke spielt ihn halb als Möchtegerndandy, halb als witzelnden Conférencier seines eigenen Scheiterns. Schmiedet er Berufspläne, sucht er in Börsenbüchern vergeblich einen Rat. Bei Partys bleibt er außen vor. Und starrt im Plastikstuhl wie im Freiluftkino auf den übergroßen Gatsby-Schriftzug, der in knalligen Farben angestrahlt ist.

Der Traum vom Happy-End

Wie die Reibung mit dem übergroßen Mythos subtil in die Kräfteverhältnisse auf der Bühne wirkt, ist hier ein komödiantisches Kunststück. Es schafft nicht nur ironische Distanz zu den Filmbildern, sondern zur Boomzeit der Prohibition, als F. Scott Fitzgerald den Roman schrieb und schneller Reichtum zum Greifen nah schien.

Seit die Romanrechte frei geworden sind, haben in kürzester Zeit die Theater in Frankfurt und Bonn Adaptionen herausgebracht. Markus Heinzelmanns Inszenierung am Deutschen Schauspielhaus ist nun mit Sicherheit die opulenteste, die poppigste und vielleicht auch witzigste Version.

So stark die Figur des Gatsby selbst in den Hintergrund rückt, so überdreht findet der Traum vom Happyend seinen Ausdruck im Bühnenbild. Denn bald fahren zwei weiße Zylinder wie Tortenböden aus dem Boden, meterhohe Zuckergussrosen schweben herein, Liebesperlenschnüre regnen vom Himmel. Diese Hochzeitstorte, auf der die Schauspieler herumlaufen, könnte man für kitschig halten, wäre da nicht die Lust, mit der hier die Theatermaschinerie arbeitet. Oft wird zurzeit in kargen Bühnenräumen gespielt, in denen die Schauspieler mit wenig Requisiten auskommen müssen.

Doch was hier optisch aufgefahren wird, erfüllt auch seinen Sinn. Der Regisseur schenkt Gatsby und seiner wiedergefundenen Jugendliebe die kurze Illusion eines Happyends. Auf der Torte thront das Paar, ins poppigste Rosa, Pink und Pastellgrün getaucht. Aber die Liebesparty findet ihr jähes Ende, wenn das Licht wechselt und das ungute Ende erzählt wird.

Zu viel Klamauk

Fitzgeralds Gatsby-Geschichte ist tatsächlich die einer Wiederbegegnung: Ein armer Kerl arbeitet sich hoch. Sein Vermögen und die Partys, die er veranstaltet, dienen nur dazu, die Frau anzulocken, die einst einen reichen Mann vorzog. Melancholisch grundiert ist sein Aufstieg, weil offenbleibt, ob wirklich die Frau gemeint ist oder nur die Sphäre, der sie angehört.

Markus Heinzelmann findet dafür anfangs noch schöne Übersetzungen, mit dem zunehmend überstrapazierten Spiel auf der mehrstöckigen Hochzeitstorte läuft das Abgründige der Geschichte jedoch ins Leere.

Heinzelmann, bis vergangenen Sommer künstlerischer Leiter des Theaterhauses Jena, siedelt seine Regiearbeiten gerne zwischen Ernsthaftigkeit, Gegenwartsbezug und Farce an. Aber in "Der große Gatsby" läuft die Balance aus dem Ruder. Zu viel Klamauk, wenn man sich darauf wie in Gatsbys Villa bewegt und auf einer Etage die Terrassenliegen ausklappt. Dennoch muss man sein Herz nicht spalten, um wertzuschätzen, wie das Luxusleben satirisch parodiert wird.

Man kommt in immer neuen Kleidern aus den Türen, Sinnbild einer Gesellschaft, in der das zweimalige Tragen desselben Modells schief angesehen wird. Die Planung einer Fahrt in die Stadt versandet in Diskussionen, welche Kleiderfarbe, welcher Wagen angemessen wäre. Im überstrapazierten 20er-Jahre-Zuckerguss-Look blitzt in solchen Momenten schmerzlich auf, wie zu viel Luxus in den Stillstand führen kann.

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