■ Gastkommentar: Ausschuß-Peinlichkeit
GASTKOMMENTAR
Ausschuß-
Peinlichkeit
Selbst die eiserne Schar der Genossinnen und Genossen, die in Treue fest hinter ihren bremischen Parteioberen stehen, können sich nicht an der Schmierenkomödie freuen, die zur Zeit im Haus der Bürgerschaft einer allmählich angewiderten Öffentlichkeit dargeboten wird.
Die Peinlichkeiten eines stupiden Untersuchungsausschusses können nur Demokratieverächter genießen. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse sollten Sternstunden der Oppostition sein; vorausgesetzt, sie haben ein wirkliches Thema. Der von ihr selbst geforderte Stadtwerkeausschuß ist der CDU aber bald lästig geworden, störte er doch ihre Untergrundkontakte mit der SPD zwecks Großer Koalition.
Die Medien listeten schließlich seitenlang auf, was ein schwerfällig dahindröhnender Ausschuß nicht packte. Mit ihren Stromrechnungen haben Bremens Bürger die unterschiedlichsten elektrizitätsfernen Bedürfnisse mitfinanziert, die von Einzelpersonen, von Vereinen und Politikern. Sie haben quasi eine Art von Sondersteuer bezahlt, deren Verwendung jedoch keiner parlamentarischen und öffentlichen Kontrolle unterlag, sondern unter Kumpeln ausgekungelt wurde. Und weil in Bremen seit Jahrzehnten Sozialdemokraten regieren, sind vor allem sie die Betroffenen. Das ist schon ein Ausschußthema.
Und seit Presse und Fernsehen seine Arbeit gemacht haben, sitzt auch der Ausschuß weiter beisammen und mimt Zeugenvernehmnung. Hier beginnt die Peinlichkeit.
Statt intellektuelle Vernehmungsstärke zu zeigen, enthüllen die CDU-Mitglieder im Ausschuß ihre biedere, provinzielle Beschränktheit, die der Chuzpe ihrer Zeugen nicht gewachsen ist. Man kann den Niederbremern nicht einmal böse sein, sie sind halt so. Da haben die Barsuhns schon mehr zu bieten. Natürlich könnten sie die Zeugenamnesie kurieren. Wenn sie wollten. Sie wollen aber nicht. Und das ist schlimmer als die Dämlichkeit der CDU.
Die SPD hat nicht begriffen, daß der Ausschuß ihr ureigenstes Thema behandelt, nämlich Filz in Bremen. So wird es gehen, wie es immer geht: Mehrheit und Minderheit verkünden am Ende zwei Wahrheiten, von denen keine schadet, Grüne und FDP machen mit, sonst stürzt die Ampel um. Der arme Czichon wird das Bauernopfer, ein Kopf muß schließlich rollen, obwohl er nichts getan hat, als sich systemkonform zu verhalten.
Das System aber wird nicht geknackt. Natürlich wird man eine Lehre ziehen: So plump darf man es nicht mehr machen. Kommt Zeit, kommt Rat. Unrechtsbewußtsein zeigt kein führender Genosse. Politik ist halt so. Der Wahnsinnsschwund an Vertrauen, den die Bremer SPD bis heute erlebt und der in rapidem Genossenschwund gipfelt, verlangte die gegensätzliche Strategie: Schonungsloses Aufdecken der Filzstrukturen, Auswechseln der Verantwortlichen, Wiedergewinnung von moralischer Kompetenz. Kurz gesagt, das Ausschußthema verlangt die Erneuerung der Partei. Die dran sind, wollen sie nicht, und die sie wollen, sind nicht dran. Die Nicht-Wähler macht man so zur stärksten Gruppe. Der Ausschuß kann getrost nach Hause gehen; was er jetzt aufdeckt, weiß eh' schon jeder.
Die einzig spannende Sache aber — was es mit den 3 mal 30.000 Mark an die Bundes-SPD auf sich hat — deckt er nicht auf. Es sei denn, Klose wüßte, daß andere etwas wissen, und er aus Angst vor einem Nilius-Effekt auspackt. Wenn es denn etwas auszupacken gibt. Dazu müßte der Ausschuß aber die richtigen Fragen stellen. Das kann er nicht. So geht die Untersuchungslähme weiter, die mittlerweile auch Buten&Binnen überwältigt hat. Das Publikum muß was in die Arena schmeißen: Aufhören! Horst-Werner Franke, Bildungssenator a. D., SPD
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