■ Gastkommentar: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein...
...das gilt, auch wenn es manche Bürger unserer Gesellschaft nicht so recht wahrhaben wollen, für Wohnungslose, sozial Schwache, kurz: für arme Menschen. Auch sie, die vom Sozialhilfesatz von rund 500 Mark monatlich ihr Leben fristen müssen, haben das Recht, Theater, Kino, Konzerte, Vorträge, Unterhaltungsveranstaltungen zu erleben. Das Fernsehen ist nur ein ungesunder Ersatz für das Erleben von Kunst und Kultur. Diesen Interessen stehen die Eintrittspreise der meisten Veranstalter entgegen. Ausnahmen wie die auf 5 Mark reduzierten Eintrittskarten bei der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz für alle Plätze sind selten und führten, als sie vom Theater vor etwa einem Jahr eingeführt wurden, bei den meisten anderen Theatern zu sehr widersprüchlichen Diskussionen und Anfeindungen.
Man sollte auf diesem Wege weitergehen und das Angebot vor allem auch auf Kinos, Konzertveranstaltungen und Einrichtungen wie die Urania ausdehnen. Bei der Urania etwa beträgt die Differenz zwischen dem normalen Eintrittspreis und der „ermäßigten Karte“ nur eine Mark. Wenn dort zum Beispiel Sozialsenatorin Ingrid Stahmer zu Themen, die Arme brennend interessieren, Vorträge hält, wird es sich ein Bezieher von Sozialhilfe schwer überlegen, dafür fünf Märker auf den Tisch zu legen. Hier stimmt das Verhältnis zwischen Durchschnittseinkommen und Ermäßigung einfach nicht mehr. Einrichtungen, die aus den verschiedensten Töpfen massiv subventioniert werden, haben auch eine soziale Verantwortung gegenüber sozial schwachen Menschen. Die öffentliche Förderung solcher Einrichtungen sollte an ein stärkeres soziales Engagement der Betreiber gebunden werden. Damit könnte kostenneutral eine Signalwirkung auch auf rein private Betreiber ausgeübt werden.
Ich werde jedesmal wütend, wenn ich sehe, daß Theateraufführungen vor halbleeren Sälen stattfinden und auf der anderen Seite nicht darüber nachgedacht wird, wie man diese Kapazitäten kostenneutral denjenigen zukommen lassen könnte, die sich auch die ermäßigten Kartenpreise nicht leisten können. Private Unternehmen wie etwa „Hekticket“ zeigten uns, daß es technisch möglich ist, so etwas zu organisieren. Rainer Hikel
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen