Galerist übernimmt Jüdische Mächenschule: Grillen in der Turnhalle
Die Jüdische Gemeinde lässt einen Charlottenburger Galeristen die ehemalige jüdische Mädchenschule in Mitte sanieren. Erster Mieter ist ein Steakrestaurant.
Klamm ist es in der ehemaligen jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße. In der Sporthalle blättert hinter den Kletterwänden der Putz von den Wänden. Nur ein paar Heizstrahler in der Mitte des Raumes weisen darauf hin, dass sich hier bald was verändert. Michael Fuchs, Galerist aus Charlottenburg, will das Gebäude sanieren und an Galerien und Restaurants vermieten. "Wir warten nur noch auf den Stempel vom Senat, dann können wir anfangen", sagte er am Donnerstag.
Die Jüdische Gemeinde bleibt Besitzerin der ehemaligen Schule. 2009 wurde ihr das Gebäude zurückübertragen. 1930 wurde die Schule für jüdische Mädchen gebaut, 1942 von den Nationalsozialisten geschlossen. Auch zu DDR-Zeiten wurde das Gebäude als Schule genutzt, seit 1996 steht es leer und verfällt. Die Jüdische Gemeinde hat kein Geld, ein externer Investor musste her. Michael Fuchs hat den Zuschlag bekommen und kann das fünfstöckige Haus nach der Sanierung für die nächsten 30 Jahre vermieten. Mit dem Szenerestaurant "Grill Royal", das sich auf seiner Homepage damit schmückt, "auf dicke Hose" zu machen, ist bereits ein erster Mieter für das Erdgeschoss gefunden.
"Die Auguststraße ist eine gastronomische Achse. Wir wollten etwas Hochwertiges, keine Allerweltsadresse", begründete Boris Radczun, einer der Betreiber des Grill Royal, die Entscheidung, sich in der "Mädchenschule" einzumieten. So soll die Auguststraße 11-13 auch in Zukunft heißen.
Fuchs betonte, dass er sich der Historie und der damit verbundenen Verantwortung gegenüber dem Gebäude bewusst sei. "Die Planungen sind nicht besonders spektakulär. Das wird keine Luxussanierung", sagte auch der mit der denkmalgerechten Instandsetzung beauftragte Architekt Armand Grüntuch. 3 Millionen Euro werden die Arbeiten kosten, schätzte er.
"Ich gehe eher von Kosten bei 3,9 Millionen aus", korrigierte Jochen Palenker, Finanzdezernent der Jüdischen Gemeinde Berlin. 5,9 Millionen Euro Schulden hat die Gemeinde beim Senat. "Wir hatten keine Wahl", sagte Palenker und begründete damit die Entscheidung, die Sanierung einem externen Investor zu übertragen. Für das Angebot von Fuchs habe die Gemeinde sich entschieden, weil es das "wirtschaftlich Sinnvollste" war.
Mitbewerber war die Fotogalerie C/O Berlin, die das Gebäude zunächst jedoch nur sanieren und ohne Mietzahlungen nutzen wollte. Nach der Vergabe an Fuchs im Dezember hatte die Fotogalerie sich überrascht gezeigt. "Die C/O soll sich nicht aufführen wie ein verlassener Liebhaber", machte Palenker seinen Standpunkt klar.
Für die Jüdische Gemeinde ist die Sanierung durch Fuchs nur der erste Schritt, das Gebäude auf lange Sicht wieder "für jüdisches Leben nutzbar" zu machen, so Palenker. "Wenn es nach mir ginge, könnte die Mietdauer auch nur zehn Jahre betragen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge