Galerie Reiter: Fotografische Notate gegen das Verschwinden
Steffen Junghans nagelt ein iPhone in einen kleinen verglasten Holzkasten und hängt ihn an die Wand: Eine Ikone, ein bewegliches Bild, das man überall in Andacht betrachten kann. Doch das iPhone ist nicht einfach Computer, Kamera und Telefon, sondern ein Phänomen wie Marilyn Monroe. Deshalb hat er es auch fotografiert: Bild einer Ikone. Überlebensgroß im Format 155 x 130 cm prangt das Smartphone an der Galeriewand, verletzt, sein Glas gesprungen, erbarmungswürdig, wie Christus ans Kreuz genagelt.
Die Schau des Leipziger Fotografen heißt „Legenden“, verstanden als „Notate gegen das Verschwinden“, als Bilder gegen das Sterben der Vorstellung. Solche Notate sind keine einfachen Aufzeichnungen, sie sind, nein, sie müssen Inszenierung sein. Und Steffen Junghans hat das unglaubliche Vermögen, die einfache Aufzeichnung absolut grandios zu inszenieren. Das ubiquitäre fotografische Bild, das noch die billigste Einkaufstüte schmückt, setzt er so auf die weiße Diagonale vor dem schwarzen Hintergrund, dass Tüte zum Bild wird, zum Gemälde, zur Ikone wie sie Malewitsch definierte. wbg
Noch bis 4. 11., Mi.–Sa. 11-18 Uhr, sowie nach Vereinbarung, Potsdamer Str. 81b
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