Gadget-Recycling vs Kaufrausch: Einfach die alte Technik behalten
Das IT-Zeitalter brachte eine Lust auf immer neue Geräte - im Jahrestakt werden Handys und PCs ausgetauscht. Ausgerechnet Mitglieder der jungen Gadget-Generation steuern nun dagegen.
Menschen wie Kevin Rose, Gina Trapani oder Anil Dash gehören eigentlich zu denen, die stets das allerneuste elektronische Bauteil haben müssen: Rose ist Gründer des Web 2.0-Nachrichtenangebots Digg, Trapani schuf das Bastel-Blog Lifehacker und Dash ist Social Media-Pionier mit 12.000 Followern auf Twitter. Trotzdem haben sich die drei zu einer ungewöhnlichen Initiative zusammengeschlossen: "LastYearsModel.org".
Das Konzept der Website mit angeschlossenem Diskussionsforum ist einfach - "Die Rettung des Planeten durch pure Faulheit". Die Idee dahinter: Wenn Nutzer ihrem etwas älteren PC, ihr Handy vom vorletzten Jahr oder ihrer Spielekonsole aus der Zeit der Jahrtausendwende behalten, entstehen weniger Müll, weniger Umweltgifte und auch Energie wird gespart.
"Wir lieben coole Gadgets wie jeder andere auch", heißt es dazu im Manifest der Initiative, "wir wollen uns nur Gedanken darüber machen, was wir uns kaufen". Als Testimonials lässt LastYearsModel.org einige bekannte Internet-Geeks antreten: "Selbst die cleversten Technikfreaks behalten ihre alten Telefone oder iPods, die noch problemlos weiter funktionieren." Die Propaganda mit der Faulheit ist dabei durchaus ernst gemeint: "Wer will schon die Zeit dafür aufbringen, herauszufinden, wie das neue Handy funktioniert?", lässt LastYearsModel.org eine Comic-Figur fragen. "Meinen alten iPod habe ich ja auch noch nicht verstanden."
Es sei normal, schreiben die Macher der Initiative, dass man sich nach dem heißesten neuen Gadget sehne. "Aber es ist genauso cool, sich Gedanken darüber zu machen, was man kauft und was man wegwirft." Die Initiative will hippen Geeks deshalb eine Plattform bieten, auf der sie demonstrieren können, dass sie ihre alte Technik behalten - natürlich im Web. Mit ein paar Klicks können sich Blogger zudem ihre eigene Seite mit einem "Ich bleibe beim letztjährigen Modell"-Logo verschönern.
Anil Dash, der die Website für LastYearsModel.org zusammengebastelt hat, sagt, es gehe bei dem Projekt vor allem darum, den falschen Eindruck zu widerlegen, dass das neueste Gerät immer auch das interessanteste sei. "Wir müssen einfach die Tatsache bewerben, dass man auch aus den bereits im eigenen Besitz befindlichen Produkten jede Menge herausholen kann." Elektronikschrott ist ein großes Problem.
Die Umweltorganisation Greenpeace spricht von 20 bis 50 Millionen Tonnen, die Jahr für Jahr zusammenkommen. Große Teile davon landen in der Drittel Welt, in Afrika, Indien und China. Bei der dort durchgeführten Wertstoffgewinnung kommt es häufig zu starken Umweltschäden, die Endlagerung der teilweise hochgiftigen Materialien ist ein riesiges Problem. "Elektroschrott ist inzwischen der am schnellsten wachsende Anteil am festen Hausmüll, weil die Leute ständig ihre Handys, Computer, Fernseher, Audiogeräte und Drucker auf den neuesten Stand bringen", so die Organisation. Am schlimmsten sind dabei Rechner und Handys, weil deren Lebenszyklus so kurz ist.
Immerhin: Das Recycling verläuft dank entsprechender EU-Bestimmungen in den letzten Jahren bei uns in geordneteren Bahnen. Wer sein Handy partout nicht weiterverwenden möchte, kann es beispielsweise bei einem der großen Mobilfunkanbieter abgeben. Die geben sich dabei äußerst großzügig: So spendet T-Mobile pro abgegebenem Gerät einige Euro für die Deutsche Umwelthilfe, Vodafone für den NABU. E-Plus unterstützt wiederum unter anderem die Malteser. Die meisten der so gesammelten Geräte werden verkauft und weiterverwendet, etwa im Ausland, weswegen sich die Sammelaktionen durchaus rentieren. Aber auch das Recycling lohnt sich dank der enthaltenen Rohstoffe monetär.
Wenn es nach der Initative LastYearsModel.org geht, kommt es aber gar nicht erst soweit: Wer an der Aktion teilnimmt, nutzt sein altes Gerät weiter. Unhip müssen solche "Old Gadget"-Behalter übrigens nicht sein. Besitzer von Apple-Rechnern, der wohl trendigsten PC-Marke der letzten Jahre, neigen beispielsweise schon seit langem dazu, ihre Maschinen einige Jahre länger zu behalten. Der Grund: Neue Betriebssysteme laufen oft auch auf älteren Rechnern verträglich, zudem lohnen sich so höhere Investitionskosten.
Allerdings macht Apple dieses Verhalten seinen Kunden in den letzten Jahren nicht unbedingt leicht: Die Produktqualität litt. Und auch bei den beiden neuesten Umsatzbringern der Firma, iPod und iPhone, erscheinen im Jahrestakt neue Geräte, was die Nutzer zum schnellen Wechsel motiviert, denn damit verdient Apple Geld. Aber bevor man alte Teile wirklich wegschmeißt gibt es ja auch noch eBay.
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