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Archiv-Artikel

GRIECHISCHE AUSWAHL Ein Kicker für Europa

aus Athen

JANNIS PAPADIMITRIOU

Mit diesem Mann zog Hellas schon einmal an die Spitze Europas: Theodoros Zagorakis, Kapitän des Traditionsklubs PAOK Saloniki und der griechischen Nationalmannschaft, die 2004 die Fußball-EM in Portugal gewann (Otto Rehagel lässt grüßen). Nun soll der einstige Rekord-Nationalspieler außerhalb des Fußballfeldes Wunder vollbringen: Der konservative Regierungschef Antonis Samaras nominierte ihn als Kandidaten für die Europawahl.

Kann Zagorakis im Euro-Nichtabstiegskampf wichtige Punkte holen? Die Netzgemeinde ist gespalten. „Der hat höchstens einen Grundschulabschluss“ empört sich ein Facebook-Nutzer. „Menschen mit Grundschulabschluss sind doch höher zu schätzen, als jemand wie du, der sich über die anderen lustig macht“ kommt prompt die Antwort.

Der Fraktionssprecher der Linksopposition Dimitrios Papadimoulis glaubt, den Grund für die Neuverpflichtung zu kennen: Von den Ereignissen getrieben, wolle sich der Premier in Richtung Mittelfeld bewegen, fachsimpelte er via Twitter. Soll heißen: Nachdem neulich ein Mitarbeiter von Samaras wegen Kontakte zu Rechtsextremen zurücktreten musste, lässt der Regierungschef Kandidaten mit „Alles wird gut“-Ausstrahlung aufstellen. Eine Spielgarantie bekommt Zagorakis nicht. Erstmals bei einer Europawahl werden die Volksvertreter Griechenlands nach dem Persönlichkeitswahlrecht gewählt und es wäre gut möglich, dass sich die Stimmen auf mehrere Gute-Laune-Kandidaten verteilen. Zumal der Promifaktor im konservativen Lager relativ hoch ist: Mit Samaras kandidiert auch der Komponist Stavros Xarchakos, während die Rechtspopulisten Volkssänger Makis Christodoulopoulos ins Feld führen und im übrigen 15 ihrer Kandidatenplätze fürs EU-Parlament einfach ausgelost haben. Nach dem Motto: mitmachen und eine Reise nach Brüssel gewinnen.

„Zagorakis ist ein Mann aus dem Volk“ schwärmt Dimitris Korderas, eingefleischter PAOK-Fan. „Ich glaube aber, das ganze könnte auch nach hinten losgehen“ mahnt er. In der Tat: In einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung bringen PAOK-Fanklubs aus ganz Griechenland ihren Protest gegen Zagorakis zum Ausdruck. „Protest“ ist jedoch milde formuliert: Die Fans beschimpfen ihr Idol als Hund, der sich vom Politsystem vereinnahmen lässt und „mit Unterwürfigkeit das Spiel seiner Auftraggeber“ mitmacht.

Zagorakis wird vorgeworfen, eine unheilige Allianz mit dem Erzrivalen und Rekordmeister Olympiakos Piräus einzufädeln. Vielleicht geht’s aber auch ums Geld, vermutet Korderas: „Seit Jahren kämpft PAOK für eine Regelung seiner Schulden gegenüber dem Staat, ohne Aussicht auf Erfolg. Dass Zagorakis sich trotzdem für eine Partei einsetzt, wollen ihm viele Fans nicht verzeihen“, sagt Korderas, der seine Mannschaft gern live erlebt. Das jüngste Halbfinal-Hinspiel im Fußballpokal gegen Piräus hat er allerdings verpasst. Zum Glück, kann man wohl sagen: Das Spiel wurde von schweren Krawallen überschattet, PAOK-Fans setzten die Gästebank in Brand. Nix da mit europäischer Friedensdividende.