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Archiv-Artikel

GIRLS’ DAY: AUCH DIE BERUFSWAHL DER JUNGS IST PROBLEMATISCH Die Tücken der Lebensplanung

Seit fünf Jahren schnuppern tausende von jungen Mädchen für einen Tag in klassische Männerberufe hinein. Der Girls’ Day ist allseits beliebt und wird hoch gelobt, weil alle einsehen, dass mit Heeren von Friseurinnen und Arzthelferinnen weder der Fachkräfte- und Ingenieurmangel zu beheben noch etwas für die Gleichberechtigung getan ist. Man muss noch einmal daran erinnern: Deutschland hat unter den alten EU-Ländern den größten Lohnabstand zwischen Frauen und Männern. Das hat auch viel mit der Berufswahl zu tun. Der Girls’ Day, das belegt die Begleitforschung, bringt ein Mädchen durchaus zum Sinnieren, ob es nicht doch Fachkraft für Abwassertechnik werden könnte. Aber in der tatsächlichen Berufswahl der jungen Damen hat sich bisher kaum etwas geändert.

Zum einen ist nicht nur die Berufswahl der Mädchen problematisch, sondern auch die der Jungen. Seit dem Pisa-Schock jammern alle, dass es zu wenig männliche Erzieher und Lehrer gebe, die den Jungs schon früh Vorbilder liefern. Und noch viel länger dauert schon das Lamento darüber, dass Jungen mit der Vorstellung ins Leben ziehen, sie müssten vor allem einen Job mit viel Arbeit und viel Geld ergattern, und um die Familienarbeit kümmere sich dann schon die Frau.

Zum anderen kann an solchen Klischees und Einstellungen ein einzelner Aktionstag wenig ändern. Es braucht unkonventionelle Vorbilder unter den Eltern, im Bekanntenkreis und in den Medien und ein Umdenken bei den Arbeitsagenturen. Immerhin empfängt dieses Jahr eine Bundeskanzlerin Mädchen zum Girls’ Day und bringt ihnen auch die Naturwissenschaft aus eigener Erfahrung näher. Das ist durchaus hilfreich.

Aber vor allem wäre es die Schule, die diese Rollenbilder mit den Kindern reflektieren und in Frage stellen müsste. Und zwar nicht ein einziges Mal in der neunten Klasse, wenn es um den Girls’ Day und das Bewerbungstraining geht, sondern kontinuierlich. In den angelsächsischen Ländern oder den Niederlanden ist „Life/Work-Planning“ und dessen Tücken schon in der vierten und fünften Klasse Unterrichtsthema. Das wäre für Europas Klassenletzten in Gleichstellungsfragen doch ein schönes Konzept. HEIDE OESTREICH