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Archiv-Artikel

GESUNDHEITSREFORMER BEREITEN DIE ÖFFENTLICHKEIT AUF KÜRZUNGEN VOR Viel Lärm um weniger

Zahnsanierung ganz auf eigene Kosten, 900 Euro im Jahr Selbstbeteiligung für Arztbesuche – solche Segnungen blühen uns von der Rürup-Kommission zur Sanierung der Sozialsysteme? Na toll. Da hat uns eine große deutsche Boulevardzeitung ja einen Klopper zur nachrichtenarmen, aber aufmerksamkeitsreichen Zeit präsentiert.

Nun ist mittlerweile klar, dass man bei der Bild auch bloß mal auf der Homepage des Rürup-Kommissionsmitglieds Bernd Raffelhüschen nachgeschaut hat, was der denn so schon zum Thema Gesundheitspolitik verfasst hat. Dann wurde der umtriebige Volkswirtschaftler aus Freiburg gebeten zu bestätigen, dass er für Zahnsanierung auf eigene Kosten und 900 Euro Selbstbeteiligung im Jahr eintritt – was dieser gerne tat –, und schon ist der Neujahrsskandal perfekt.

Hieraus lernen wir erstens, wie Nachrichten gemacht werden. Zweitens aber darf man auch fragen, inwieweit solche Veröffentlichungen dem Vorhaben der Gesundheitsreformer entsprechen, die Versichertengemeinschaft, also uns, auf eine einschneidende Gesundheitsreform vorzubereiten. Schließlich ist uns einerseits schon klar, dass uns der Umbau des Gesundheitssystems nicht nur Vorteile einbringt. Andererseits aber gibt es jedesmal ein Heidentheater, wenn eine Maßnahme konkret wird – vor allem, wenn auch artikulationsfähige Gutverdiener davon betroffen sind.

Das heißt nicht: Kanzler Gerhard Schröder hat der Rürup-Kommission aufgetragen, die fiesesten Ideenvorschläge zuerst durchsickern zu lassen, damit nachher alle ganz erleichtert sind, dass sie bloß 400 Euro Eigenanteil jährlich zahlen sollen. Zumal Raffelhüschen vollkommen zu Recht sagt, er habe seine Vorschläge schon vor Gründung der Kommission publiziert und sei schließlich genau deswegen zu deren Mitglied gemacht worden. Dennoch regt sich Bert Rürup auch zu Recht darüber auf, dass Raffelhüschen sich so medienfreundlich aus dem Fenster lehnt, denn nur Rürup darf im Namen der Kommission sprechen.

Sicherlich jedoch darf unterstellt werden, dass es zur Strategie aller Reformer gehört, der Bevölkerung schon einmal ein paar Horrornachrichten verfüttern zu lassen, zum Beispiel via Bild. Denn im Anschluss dürfen alle in der Rolle des besonnenen Erklärers „die Wogen glätten“ und die zweitscheußlichsten Einschnitte als Kompromiss verkaufen. Bleibt festzustellen, dass der Neujahrs-Schreck über selbst bezahlte Gebisse jedenfalls hilft, der Öffentlichkeit schlechte Nachrichten in Sachen Gesundheitsversorgung einzuträufeln.

ULRIKE WINKELMANN