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Archiv-Artikel

GESUNDHEITSPOLITIKER TRÄUMEN VOM MÜNDIGEN PATIENTEN Hausarzt statt Internet

Da kommt er: der mündige Patient. Mit gerecktem Kinn schüttelt er dem Arzt fest die Hand und erklärt ihm, was er alles schon aus dem Internet über seine Krankheit weiß. Der Arzt macht sich pflichtbewusst seine Notizen und fragt ergänzend hier, erläutert kurz da. Man einigt sich auf die beste Therapie, nach deren Abschluss sich Arzt und Patient gegenseitig auf die Schulter klopfen: Teamwork. Hat mal wieder gut funktioniert.

Vergessen Sie es. Der mündige Patient, der mit seinem Arzt als „Partner“ „optimal“ „zusammenarbeitet“, ist eine Erfindung von Politikern, denen zur Verbesserung des Gesundheitssystems nur noch Träumereien einfallen. Denn das Verhältnis zwischen dem Medizinstudierten und dem Medizinnichtstudierten ist ein Machtverhältnis. Es basiert auf ungleicher Informationsverteilung. Und übrigens finden die meisten Patienten das auch klasse. Schließlich wollen sie die Verantwortung für ihre Krankheit loswerden. Nur wer sich schlecht behandelt fühlt, besinnt sich auf sein Recht auf Verbraucherschutz, jawohl!, und geht zu einem anderen Arzt. Das ist das Verhalten dessen, der so viel vom Gesundheitssystem weiß, dass er Ärzten füglich misstraut, und zu wenig, als dass er gleich zum Richtigen gehen könnte.

Wer jetzt den Erhalt der freien Arztwahl fordert, um gegen Hausarztmodelle mobil zu machen, muss sich fragen lassen, woher bitte der Patient wissen soll, welcher Arzt gut für ihn ist. Ein paar fitte und selbstbewusste Menschen behalten sich vor, selbst zu entscheiden, ob sie zum Orthopäden oder Augenarzt müssen. Das rührt vor allem daher, dass dieselben Menschen meist eh nur unter Termindruck zum Arzt hetzen und sich deshalb dagegen sträuben, eine Extrarunde beim Hausarzt herzudrehen, bloß um sich dort eine Überweisung abzuholen. Doch dies ist zwar Beweis einer mündigen Zeiteinteilung, nicht jedoch einer mündigen Patientenentscheidung.

Solange Ärzte vor sich hin wirtschaften und ihre Lobby es schafft, Erfolgskontrollen zu verhindern, so lange weiß niemand, in wessen Händen er landet. Dann doch lieber Modelle, die so etwas Ähnliches wie Qualitätssicherung versprechen. Hausarztmodelle zum Beispiel. ULRIKE WINKELMANN