GEREON ASMUTH ÜBER FRAUENQUOTEN BEI STRASSENNAMEN : Herausforderung zum Denken
Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz. Das Straßenschild, das künftig vor dem Jüdischen Museum in Berlin stehen wird, ist herausragend. Schon wegen seiner Überlänge, die einem mühsam errungenen Kompromiss folgt. Das Museum plädierte für den jüdischen Philosophen. Die von den Grünen dominierte Verwaltung des zuständigen Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg aber wollte an dem Beschluss festhalten, dass Straßen und Plätze erst mal nur noch nach Frauen benannt werden dürfen.
Jetzt muss auch Mendelssohns Gattin aufs Schild, damit der Aufklärer und Migrant geehrt werden kann. Und die Häme kennt keine Grenze. Kommentatoren ereifern sich über die Platz-Posse, über antiurbanes, eingleisiges Denken, grüne Spießer und deutschen Regelungswahn.
Da kann man nur noch zurückfragen: Hallo? Hat da irgendjemand noch einen Blick für die reale Lage? Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gibt es zehnmal mehr Straßen, die nach Männern benannt sind als nach Frauen. Das dürfte im Rest der Republik kaum anders sein. Die Kreuzberger Quote ist somit beispielhaft. Auch der Umgang mit ihr.
Denn trotz Quote wurden im Bezirk nicht nur über zehn Frauen, sondern auch zwei Männer geehrt: Seit 2008 gibt es die Rudi-Dutschke-Straße. Und heute wird der von Rechtsextremen erstochene Silvio Meier geehrt. Beide Umbenennungen erfolgten nach breiter Debatte – auch über die Frauenquote. Sie ist eine Herausforderung zum Nachdenken, selbst wenn am Ende ein putzig wirkender Kompromiss steht. Denn der ist das überfällige Mahnmal dafür, dass Frauen immer noch eher als Gattin von XY geehrt werden denn als eigenständig handelnde Person.
■ Der Autor war Mitinitiator der taz-Kampagne für die Rudi-Dutschke-Straße in Berlin-Kreuzberg Der Tag SEITE 2