piwik no script img

Archiv-Artikel

GEORG LÖWISCH UNBELIEBT Ende vorm Anfang

Rot-Rot wird nicht. Nicht im Saarland, nicht im Bund. Was sagt ein SPD-Mann, der das Bündnis sehr früh wollte?

Der Sozialdemokrat Richard Dewes glaubt an die bessere SPD. Sie ist in seinen Augen eine unerschrockene und unbequeme Partei, die weiß, wo sie herkommt. Dewes ist der Sohn eines Bergmanns aus Alsweiler im Saarland, für alle Fälle hielt die Familie noch Hühner und eine Kuh.

Richard Dewes, heute 63 Jahre alt, wollte Rot-Rot als einer der ersten Politiker in Deutschland. Es ist im Grunde nur natürlich, ihn in dieser Woche nochmal anzurufen, sozusagen zum Abschied. Denn das war eine Woche, in der die Pläne von der rot-roten Zukunft unwahrscheinlicher geworden sind. In Dewes’ Heimat, im Saarland, gibt es eine Neuwahl, der dortige SPD-Chef aber liebäugelt mit der CDU, statt mit Oskar Lafontaine, seinem Ziehvater von einst, Frieden zu schließen. Im Bund hat Sigmar Gabriel Rot-Rot-Grün am Mittwoch abgeräumt. Nur ein Wort: „ausgeschlossen“.

„Viel Getöse“, sagt Dewes ins Telefon und der Ausdruck kontrastiert seltsam mit dem ruhigen Ton seiner tiefen Stimme.

Was Rot-Rot betrifft, war Dewes seiner Zeit voraus. Schon sieben Jahre nach dem Ende der DDR wollte er Rot-Rot-Grün. Am 25. September 1997 unterzeichnete er die „Erfurter Erklärung“, in der gefordert wurde, durch so ein Bündnis, Helmut Kohl abzulösen. Er unterschrieb das Papier als erster Landesvorsitzender der SPD. Moment, Landesvorsitzender? Nicht von seiner Heimat, dem Saarland, dort hatte da noch Oskar Lafontaine das Sagen. Dewes war Mitte der Neunziger aus Saarbrücken, wo er unter Lafontaine Staatssekretär war, nach Thüringen gegangen. Er wurde in Erfurt Innenminister einer Großen Koalition, stieg zum SPD-Chef auf und bald war er es leid, Junior der CDU zu sein. 1999 trat er bei der Landtagswahl an. „Du hast freie Hand“, habe Schröder gesagt. Die SPD verlor mit Dewes elf Prozentpunkte, die CDU gewann. Er saß in der Opposition, hoffte, las die Zeitung:

Lafontaine, WASG, Wowereits Rot-Rot, Lafontaine, Linkspartei, Die Linke, Projekt, Ypsilanti, Lafontaine.

2008 versuchte es Dewes noch mal, in einer Mitgliederbefragung bewarb er sich um die Spitzenkandidatur im Land. Und verlor gegen Christoph Matschie, der heute in Thüringen als Juniorpartner der CDU regiert. Er war wieder zurückgeworfen aufs Zeitungslesen.

Erfurt: CDU-SPD. Düsseldorf: SPD-Grüne. Stuttgart: Grün-SPD. Mainz: SPD-Grüne. Magdeburg: CDU-SPD. Schwerin: SPD-CDU. Berlin: SPD-CDU.

Es ging die ganzen Jahre um das Linksbündnis, es wurde geplant, gerechnet, geschrieben – aber allein in Brandenburg regieren SPD und Linkspartei. Und im Kreis Saalfeld-Rudolstadt auch. Dort, wo Richard Dewes wohnt.

Warum wird das nichts mit Rot-Rot? „Es wäre spannend, aber man ist eher bereit, den bequemen Weg zu gehen“, sagt er über die SPD. „Die haben Angst, dass sie Akzeptanz verlieren, weil zwei Partner zusammenarbeiten würden, von denen einer sehr unerfahren ist.“ Über die SPD sagt er, sie hätte zu wenig demokratische Sozialisten. Über die Linke, dass eine Partei mit ihren Inhalten gebraucht werde.

Wer ist jetzt die bessere SPD für ihn? Die SPD oder die Linkspartei? Vielleicht ist es so: Er wollte, dass die Linkspartei die SPD besser macht. Mit oder ohne Rot-Rot.

Dewes hört sich immer noch sehr ruhig an. Er sagt, dass er sich wohl fühlt. Er arbeitet heute als Anwalt und hat einen Hof, Hühner, Gänse, drei Kaltblutpferde.

Der Autor leitet das sonntaz- Ressort Foto: W. Borrs