GASTKOMMENTAR: Bitte keine Sperrbezirke!
■ Zu den Plänen, den Tiergarten hurenfrei zu machen
Kindesmißbrauch existiert überall. Die Dunkelziffer ist beängstigend hoch. Deshalb einen Sperrbezirk über einen Stadtteil zu verhängen, in dem das dafür verantwortlich gemachte sogenannte Milieu regiert, doch auf der anderen Seite Gelder für mißbrauchte Mädchen zu streichen, ist absurd. Mißbrauch an Kindern erfolgt meist durch Angehörige und Bekannte der Opfer. Freier dagegen kennen die Bedingungen und verhalten sich entsprechend. Gerade Berlin zeichnet sich dadurch aus, daß es keine Sperrbezirke gibt, Frauen selbständig und unter besseren Bedingungen als zum Beispiel in München arbeiten können und daher auch weniger Gewalt auftritt als in anderen Städten.
Es sieht ganz so aus, als ob hier versucht wird, ein gesamtgesellschaftliches Problem auf die Huren abzuwälzen. Gentlemenlike. Nicht nur, daß in traditionell altherrlicher Zusammenarbeit die sogenannten »Sex-« oder »Trieb«-Täter dem Bereich der Sexualität zugewiesen werden, männliche Gewalt verharmlost wird, zudem Frauen als Täterinnen kriminalisiert werden. Die Vorfälle in Tiergarten passen allzugut in die Säuberungs- und Kontrollpolitik des CDU-Senates, oder wer steckt hinter dieser under-cover-Aktion?
Die beabsichtigten Konsequenzen werden auf jeden Fall eintreten, und wir werden darunter leiden müssen. Huren werden wieder stigmatisiert, als kriminelle Wesen, die eine Gefährdung für die Öffentlichkeit darstellen. Und das, obwohl gerade in letzter Zeit die zwanzigjährige Hurenpolitik Erfolg aufzeigt, Klischees abgebaut wurden, die Allgemeinheit sich informierter gibt und die Anerkennung als Beruf positive Resonanz findet. Um so verwunderlicher, daß die AL auf der Versammlung des Schulausschusses für einen Sperrbezirk stimmte, obwohl die Grünen das ADG für Prostituierte mit erarbeiteten und in die Öffentlichkeit brachten. Wendepolitik nach Strich und Faden. Laura Meritt (Hure)
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