GASTKOMMENTAR: Und er bewegt sich doch...
■ Der Friedensprozeß im Nahen Osten kommt in Gang
Das Dogma, der Krieg am Golf habe letzten Endes alle Probleme im Mittleren Osten nur noch unlösbarer gemacht, wird trotz gebetsmühlenartiger Wiederholung nicht wahrer. In einem Fall erweist es sich sogar als regelrecht falsch: im Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn. Es erweist sich nämlich, daß die USA in der Nach- Golfkriegszeit eine im Rahmen des Möglichen optimale Politik betreiben. Die Mischung von Zuckerbrot und Peitsche, von einfühlsamer Geheimdiplomatie und öffentlicher Verurteilung der israelischen Siedlungspolitik im Westjordanland, die derzeit Außenminister Baker Israel angedeihen läßt, führt Israel seine politischen Grenzen vor Augen, ohne indessen Unmögliches zu fordern — nämlich die Bereitschaft, über alles zu reden und dabei die bilaterale formelle Anerkennung durch die arabischen Nachbarn zu einem Punkt unter anderen verkommen zu lassen. Israel muß heute noch aufhören zu siedeln, während Syrien, Jordanien und Saudi-Arabien Israel noch heute anzuerkennen hätten! Diese Maxime läßt sich weder heute noch morgen unmittelbar durchsetzen, aber bestimmt nicht auf dem Wege einer breitangelegten Nahost- Konferenz. Gerade wenn die KSZE als Vorbild dienen soll, hat zu gelten, daß an ihr nur gegenseitig anerkannte und mithin vertragsfähige Völkerrechtssubjekte teilnehmen können. Israel, dies zeichnet sich derzeit ab, treibt mit seiner Siedlungspolitik die Preise für jeden Friedensprozeß, der sich um die Anerkennungsfrage herummogeln könnte, in die Höhe und führt alle entsprechenden Ideen damit ad absurdum. Umgekehrt, und darauf hat James Baker aufmerksam gemacht, schreckt jede weitere Siedlung etwa Syrien von Verhandlungen ab, oder genauer: liefert vorzügliche Gründe, erst gar nicht zu verhandeln. Die traurige Wahrheit lautet nämlich, daß weder die Regierung Schamir noch Hafis el-Assad großes Interesse an einem förmlichen Friedensvertrag haben. Die wechselseitigen Claims sind auch so abgesteckt und anerkannt — die Befriedung des Libanon stellt dies unter Beweis, trotz israelischen Waffengeklappers.
Es hat die Europäer seit 1980 um jeden Einfluß in der Region gebracht, daß sie die auf Europa zugeschnittenen Lösungswege immer wieder im Mittleren Osten empfehlen wollten. Der Ruf nach einer internationalen Konferenz, einer KSZN oder ähnlichem, verhindert nur, daß der US-amerikanische Druck auf Israel wirksam werden kann und Syrien an den Verhandlungstisch tritt.
Und die Palästinenser? Einen Staat Palästina wird es überhaupt erst dann auch nur als Möglichkeit geben, wenn Hardlinern vom Schlage Schamirs durch eine Anerkennung Israels in gesicherten Grenzen der Wind aus den Segeln genommen ist. Micha Brumlik
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