GASTKOMMENTAR: Eine Atempause
■ Die Präsidenten der jugoslawischen Republiken stimmten dem Kompromißvorschlag zu
Der Kompromißvorschlag der bosnischen und mazedonischen Präsidenten Izetbegovic und Gligorov ist das erste ausgearbeitete Papier zur Lösung der jugoslawischen Staatskrise, das der Öffentlichkeit in Grundzügen bekannt gemacht wurde und als Grundlage der weiteren Gespräche dienen soll. Dazu und nur dazu haben die Präsidenten ihre Zustimmung gegeben. Mit welchen Absichten allerdings Kucan, Tudjman und vor allem Milosevic diesem Papier zustimmten, wissen wir noch nicht.
Man hat Alia Izetbegovic, der von Anfang an seine „levantinische Kunst der Verhandlung“ an den Tag legte, als jemanden belächelt, der das Unmögliche versuche. Im Grunde aber hat er frühzeitig das einzig Mögliche begriffen und nun die kluge Unterstützung des alten, seit langem als liberal geltenden mazedonischen Politiker Gligorov bekommen. Hinter dem Dilemma — jugoslawische Föderation wie gehabt oder Konföderation mit separatistischem Beigeschmack — steckt eine Lösung nach echtem föderalistischen Prinzip, die da heißt: ein gemeinsamer Zentralstaat, der aus Einzelstaaten besteht. Dies ist eine Definition von Staat, wie sie in jedem deutschen staatsrechtlichen Buch zu finden ist: Gemeinsam kann nur das sein, wofür das Vertrauen reicht bzw. was trotz Mißtrauens möglich ist.
Doch ein gemeinsamer, aus souveränen Einzelstaaten bestehender Staat, diese Lösung, die paradigmatischen Charakter erhalten könnte, wird wahrscheinlich daran scheitern, woran bislang alle Lösungs- und Reformversuche gescheitert sind — an der Person des Serben Slobodan Milosevic. Nachdem seine Politik von US-amerikanischen und westlichen Politikern für die Zerstörung Jugoslawiens verantwortlich gemacht wurde, mimt er nun die „Friedenstaube“. Einzig die Gefahr der sozialen Katastrophe und die Demokratisierung in Serbien können verhindern, daß er wieder zum Falken wird.
In einem Punkt verkörpert Milosevic ganz das Serbien von heute: An einem selbständigen Staat, der von zentralistischen Machtmechanismen und Geldquellen abgekoppelt wäre, hat man im Grunde kein Interesse. Die Voraussetzung für die Verwirklichung der Lösung von Sarajevo ist, daß man ein selbständiges Serbien als positives Projekt entdeckt. Dunja Melcic
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen