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GASTKOMMENTARDie Deutschen „normalisieren“

■ Für eine neue Einwanderungs- und Asylpolitik

Der „normale“ Deutsche hat Angst vor den Fremden. Diese Angst nutzen Konservative sehr geschickt. Die Argumente eines Theo Waigel sind erfolgreicher als die Argumente aller „Linken“, Alternativen oder mancher SPDler zusammen. Da ist Heiner Geißler schon eher in der Lage, die „normalen“ Deutschen zu überzeugen, warum Deutschland Einwanderungsland ist und sein muß. Wir müssen zugeben, daß wir mit unseren „Gegen Rassismus, Faschismus, Sexismus“- Demonstrationen und langatmigen Redebeiträgen über die Fluchtursachen in den Herkunftsländern weniger Erfolg haben. Der „normale“ Deutsche versteht uns nicht. Wir erleben eine Kommunikationskrise wie die Friedensbewegung zu Zeiten des Golfkrieges. Wir reden untereinander und schimpfen über die „Masse“, die konservativ wählt und die keine offenen Grenzen will.

Allzuleicht vergessen wir, daß wir CDU- und FDP-WählerInnen brauchen, um die fremdenfeindlichen Angriffe zu verhindern. Solange wir nicht bereit sind, ihre Fragen zu beantworten und mit ihnen einen Dialog zu führen, solange werden Schreibtischtäter wie Volker Rühe gegen AsylbewerberInnen hetzen können. Gegen Fremdenfeindlichkeit und die Angst des „normalen“ Deutschen brauchen wir eine Politik, die die Probleme der Zuwanderung ernst nimmt. Das ist eine Frage aktiver politischer Gestaltung, und zwar aller Parteien.

Eine differenzierte Asyl- und Einwanderungspolitik, die Begriffe wie „Asylsuchende“ und „EinwanderInnen“ präzise definiert und dazu beiträgt, den Zuzug zugunsten aller Betroffenen human und sozial zu regeln, muß sich auf folgende Säulen stützen:

—den Artikel 16 Abs. 2 des Grundgesetzes (und ergänzte Genfer Flüchtlingskonvention),

—ein Kontingentsflüchtlingsgesetz

—und ein Einwanderungsgesetz für ArbeitsmigrantInnen.

Gerade ein Einwanderungsgesetz kann für den Schutz, den der Artikel 16 gewähren soll, eine wesentliche Entlastungsfunktion übernehmen. Bekämen doch die vielen, die sich ohne Erfolg auf das Asylrecht berufen und es damit in Mißkredit bringen, eine zeitlich vorhersehbare reale Einwanderungsperspektive. Die gesellschaftliche Akzeptanz dieser dann gewollten EinwanderInnen kann höher liegen als heute. Hoffentlich wäre dann auch der „normale“ Deutsche bereit, in der Nähe seines wertvollen Reihenhauses Asylsuchende zu begrüßen, weil ihm deutlich gemacht wurde, daß diese Menschen Schutz brauchen. Eine ganz neue Normalität, auch für ihn. Ozan Ceyhun

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