GASTKOMMENTAR: CIA ade
■ Im Frieden ist willkürliches Nachrichtenanhäufen sinnlos
Artikel I, Absatz 9 unserer Verfassung fordert von allen Regierungsstellen, daß sie ihren Haushalt in regelmäßigen Abständen dem Kongreß zur Überprüfung vorlegen. Das tut weder die CIA noch die DIA. Gelegentlich, wenn der Mond gerade mal nicht scheint, schicken sie jemanden zum Capitolshügel rauf, um den Kongreß in die Irre zu führen, und damit hat sich's. Schließlich wäre die Offenlegung dessen, was sie wirklich mit dem Geld machen, das sie bekommen, ein Bruch der „Nationalen Sicherheit“, jener übergeordneten Rubrik, die so viele Beteiligte vor einer Strafverfolgung schützt.
Auch wenn die meisten Amerikaner heute glauben, daß die CIA von General Washington bei Valley Forge aus der Taufe gehoben wurde, ist diese unerklärliche Spionageagentur doch tatsächlich erst vor weniger als einem halben Jahrhundert erfunden worden. Und seit dieser Zeit sind wir, aus Gründen einheimischer Politik, über den Rest der Welt systematisch falsch unterrichtet worden (erinnern Sie sich noch an Rußlands überragenden wirtschaftlichen Aufschwung in den Siebzigern?). Geheimdienstkrämerei bleibt ein leeres Konzept, sofern sie sich nicht direkt aufs Handeln bezieht. Im Krieg ist Kenntnis der Truppenbewegungen des Feindes von entscheidender Bedeutung. Im Frieden hingegen wird willkürliches Nachrichtenanhäufen sinnlos, wenn nicht überhaupt von Übel.
Seit unsere Herrschenden das ausgetüftelt haben, taten sie ihr Bestes, um sicherzustellen, daß wir niemals in Frieden leben; daher die Notwendigkeit, Feinde aufzuspüren — zumeist eingebildete, wie das Pentagon jüngst in seinen wunderbar wüsten Entwürfen für künftige Kriege enthüllte. Da das größte Verbrechen des Kommunismus gegen die Menschheit darin bestand, pleite zu gehen, gibt es für uns nun keinen globalen Krieg mehr zu führen — mit Ausnahme desjenigen gegen die Drogen (auf den letztes Jahr über 20 Milliarden Dollar verschwendet wurden).
Weil nicht mehr genug Geld da ist für irgendeinen dieser „Kriege“, gibt es auch keine logische Grundlage mehr für die diversen Geheimdienste, es sei denn, die Föderalisten hielten nicht länger hinterm Berg und erklärten — was die Endlösung wäre — dem amerikanischen Volk schlechthin den Krieg: Immerhin sah ja ein Alternativplan in Ollie Norths Notizbuch vor, daß dunkelhäutige Amerikaner in Krisenzeiten separat gehalten werden sollten.
Ich möchte vorschlagen, daß das Außenministerium sich wieder seiner einst nützlichen, wenngleich langweiligen Aufgabe zuwendet, uns mit Informationen über andere Länder zu versorgen, damit wir besser darüber Bescheid wissen, was sie von uns kaufen wollen. Hysterisches Aufspüren von Nuklearwaffen bringt gar nichts. Schließlich haben ja wir selber (oder unsere geschätzten Verbündeten) die ganze Welt überhaupt erst bis an die Zähne aufgerüstet. Weder verfügen wir über das Geld noch über den Grips, um jedes einzelne Land zu überwachen, was leider eben auch heißt, daß — sollte es etwa einem bösen Diktator in Madagaskar einfallen, Washington D.C. atomar zu bombardieren oder biologisch unterzubuttern — wir nicht allzuviel dagegen tun können. Die CIA jedenfalls wäre in ihrem jetzigen Zustand sicher die letzte, von der Angelegenheit Wind zu bekommen — obwohl vielleicht die erste, davon zu profitieren.
Ich würde alle militärisch ausgerichteten Geheimdienste auflösen und das FBI an der kurzen Leine halten — keine schmutzigen Tricks mehr gegen die, denen es nicht paßt, wie wir regiert werden, und keine Akten mehr über diejenigen von uns, die einen Ausweg aus der Misere, in der wir uns befinden, aufzeigen könnten; einer Misere, die am besten der verstorbene J.Edgar Hoover verkörpert und die ihr Denkmal in jener babylonischen Festung auf der Pennsylvania Avenue gefunden hat, welche immer noch seinen berüchtigten Namen trägt.
Etwaige Ähnlichkeiten mit bundesdeutschen Verhältnissen sind nicht beabsichtigt und wären rein zufällig. Gore Vidal
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