GASTKOMMENTAR: Jäger (90) oder Gejagte?
■ Statt einer Radikalkur schwenken die Süchtigen nun um auf das „Light“-Modell
Wer in Deutschland noch Zweifel hatte, von wem in unserem Land die Rüstungspolitik bestimmt wird, der hat jetzt mit der Tragikomödie um den Jäger 90 ein Extra-Lehrstück erhalten. Da ließ sich der neue Verteidigungsminister dafür feiern, daß er nicht bereit sei, die Bedrohung von gestern zur Grundlage seiner Rüstungsentscheidungen zu machen. Außerdem sei er nicht der Industrieminister. Wird die Verteidigungspolitik etwa doch in Bonn gemacht, fragten sich BürgerInnen bereits verdutzt.
Doch jetzt sind die Verhältnisse wieder klar, ist die Welt der Deutschen Bank, von Daimler und der Rüstungspartei CSU wieder heil. Der „Jäger light“ soll es richten. Mit dem Zugeständnis der Jäger- Lobby, eine abgespeckte Version des feisten Vogels bei der Lieblingsindustrie der Bayern bauen zu lassen, kann Minister Rühe, der sich arg aus dem Fenster gehängt hatte, (politisch über-)leben. Aber eines ist so sicher wie das bayerische Lamento, wenn es um Rüstungspfründe geht: Auch der neue Jäger wird in wundersame Kostenhöhenflüge aufsteigen, noch ehe er am Himmel erscheint. Das liegt nun einmal in der Natur einer Rüstungspolitik, die schon lange keinen realen Bezug zur sicherheitspolitischen Wirklichkeit mehr hat. Die Herren Piloten wollen sich die Welt einfach nicht ohne „Flugsportgerät“ vorstellen. Und die Industrie bedient diese Wünsche gern. Sie nimmt dabei, was dem Parlament an Rüstungsmilliarden abgepreßt werden kann. Deswegen sind beide, Militärs und Manager, so flexibel, was Art und Kosten des Flugzeugs anbetrifft.
Leider plappern auch die Sicherheitsexperten der SPD die Behauptung nach, die deutsche Luftwaffe brauche auf jeden Fall zur Jahrtausendwende ein Jagdflugzeug. Wozu eigentlich? Wo ist die Bedrohung und wo die ehrliche Beurteilung, welche nationalen Waffensysteme (in einer Welt größerer Kooperation und verbesserter kollektiver Sicherheitssysteme, vor allem in Europa) überhaupt noch notwendig und damit akzeptabel erscheinen werden?
Es ist ein Trauerspiel, wie der deutsche Finanzminister angesichts zahlreicher ungelöster sozialer Probleme und leerer öffentlicher Kassen einen schamlosen Spagat zwischen Staats- und Parteiräson macht. Seine Partei, in unappetitlicher Weise mit privaten Wirtschaftsinteressen verquickt, versucht weiter Steuergelder in die Taschen der Rüstungskonzerneigner zu schanzen, anstatt staatliche Mittel für einen sozial verträglichen Übergang von der überzogenen Rüstungsorientierung zu einer tragfähigen Zukunftsperspektive der Industrie bereitzustellen. Bequemlichkeit und Phantasielosigkeit der Rüstungsmanager und die Abhängigkeit der Parteien vom Wohlwollen der Spenden- und Pöstchengeber sind wie eine schwere Suchtkrankheit. Unser Gemeinwesen davon zu befreien wird nur mit einer Radikalkur gehen: Verbot der Rüstungsproduktion in der Privatwirtschaft und totales Verbot von Rüstungsexport. Letzteres wäre angesichts des skandalösen dritten Platzes, den Deutschland 1991 beim Waffenexport erklommen hat, das Gebot der Stunde. Elmar Schmähling
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