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GASTKOLUMNEChampagner für das Weserkraftwerk

■ Cornelius Noack, Vorsitzender des Bremer Energie-Beirates, zum Hick-Hack um die Energie aus Weserwasser

„Alles fließt“ und „das Wasser aber ist das Beste“ haben schon die griechischen Naturphilosophen gesagt. Das Allerbeste also ist es wohl, wenn ein Programm zur Nutzung von fließendem Wasser so fließend umgesetzt wird ...

Die Rede ist natürlich vom Weserkraftwerk in Bremen. Diese Woche also ist im Aufsichtsrat der Stadtwerke der Vertrag beschlossen worden, den die Stadtwerke mit dem bauwilligen Firmenkonsortium schließen sollen, der Vertrag, der die politischen Entscheidungen des zu Ende gehenden Jahres auch zivilrechtlich absichern soll, und der doch so vieles noch offen läßt und ungeklärte Probleme in eine ungewisse Zukunft schiebt: Der Vertrag ist bindend, doch beide Seiten können ihn lösen. Termine für den Baubeginn und Preise liegen fest, doch beides kann sich auch wieder ändern.

Drei Fragen muß sich der interessierte Zuschauer dieses Bremer Politschauspiels (Tragödie? Satyrspiel? Posse? Melodram?) stellen:

Erstens: Lohnt der ganze Aufwand? Welchen ökologischen Nutzen bringen die gerade mal eben 18 Megawatt elektrischer Nennleistung, die pro anno gewonnenen 60 Millionen Kilowattstunden?

Zweitens: Wer will das Kraftwerk eigentlich noch (und warum), wer will es nicht?

Drittens: Wird das Weserkraftwerk nun gebaut oder nicht?

Die erste Frage ist ernstzunehmen. Die Stadtwerke Bremen erzeugen, den Strom für die Bundesbahn nicht mitgerechnet, jährlich etwa 3.200 Millionen KWh. Das Weserkraftwerk würde diese Jahreskapazität also um knapp 2% erhöhen, ein Minibeitrag zur Umweltentlastung, der kaum den immensen politischen Wirbel rechtfertigt, der um dieses Projekt entstanden ist, so könnte man meinen.

Ich halte diese Argumentation für zu kurz gegriffen. Zum einen ist inzwischen klar geworden, daß eine Umsteuerung des Energiesystems hin zu den „erneuerbaren“ Energiequellen nur mit einer konsequenten Dezentralisierung zu schaffen ist: Die Sonne scheint, mäßig stark, aber überall. Ökologischer Umbau bedeutet also (ganz gleich von welcher Technik die Rede ist): Weg von den wenigen großen und hin zu vielen kleinen Kraftwerken. Und so gesehen sind dann zwei Prozent so wenig nicht. Pro Jahr ein Projekt dieser Größenordnung (z.B. zur Windenergienutzung) in den nächsten 20 Jahren, und die Kohlendioxid-Emmissionen aus der Stromerzeugung wären (auch ohne jede Einsparung!) auf das von Energiebeirat, Bürgerschaft und Senat gesteckte Ziel reduziert. Da kann man das erste realistische solche Projekt nicht einfach auslassen!

Zum anderen ist der ökologische Umbau nur zu erreichen, wenn auch viele sich aktiv daran beteiligen. Energiesparen ist die größte Energiequelle. Ihre Erschließung setzt Verhaltensänderungen jedes einzelnen und damit Einsicht bei allen voraus. Einsicht, daß jeder einzelne, kleine Beitrag gebraucht wird. Wie soll solche Einsicht zustandekommen, wenn selbst der Staat aus kurzfristigen finanziellen Erwägungen heraus nicht bereit ist zu solchen kleinen Schritten, und damit seine eigenen erklärten Langfrist-Zielsetzungen preisgibt?

Diese Argumente sind im vergangenen Jahr oft genug öffentlich und nicht-öffentlich vorgebracht worden. Wem haben sie eingeleuchtet, wem nicht?

Die Politik in Bremen hat sich dazu erklärt, in eindeutigen Beschlüssen von Bürgerschaft und Senat. Das Weserkraftwerksprojekt ist zurecht verstanden worden als „Initialzündung“ für eine Neue Energiepolitik. Die Einsicht, daß dafür auch finanzielles Engagement nötig ist, hat dazu geführt, daß Bürgerschaft und Senat sich politisch bindend verpflichtet haben, das von manchen befürchtete Betriebsdefizit des Weserkraftwerks in der Anlaufzeit zu decken.

Bei der Haltung der Stadtwerke dagegen blickt kein Außenstehender mehr so recht durch. Erst wollten sie es überhaupt nicht, dann schien es ihnen zu teuer. Als dann das Festpreisangebot von Siemens, Voith und anderen auf dem Tisch lag, schien ihnen das nicht solide genug: Einen „Trabbi“ wollten sie nicht, und schätzten die Mehrkosten für die unbedingt erforderlichen technischen Verbesserungen und Ergänzungen auf über 18 Millionen Mark. Ich habe 237.000 Mark davon selbst für gerechtfertigt gehalten (und das in einem internen Papier am 19.9.90 festgehalten ...).

Der Bürgermeister sprach ein Machtwort und verlangte Einigung zwischen den Vertragspartnern über die „technischen Standards“. Die ist nun gottlob erfolgt: Die Stadtwerke halten inzwischen (im Einvernehmen mit den Anbietern) technische Nachbesserungen des Angebots in Höhe von – raten Sie mal: rund 200.000 Mark (!) für erforderlich.

Endlich „alles palletti“ also, das Kraftwerk wird gebaut, so schnell wie möglich“, wie es im Bürgerschaftsbeschluß heißt, nach Auffasssung des Firmenkonsortiums also spätestens ab Juli 1992, und für 87.24 Millionen Mark? Denkste. Jetzt ist da die Wasser- und Schiffahrtsdirektion vor, die schon im Sommer angeblich wegen baulicher Probleme etwas gegen das Kraftwerk hatte. Diese Wasser- und Schiffahrtsdirektion also will nun plötzlich (nach über 5 Jahren Diskussion und Planung des Projekts!) Geld haben für die Nutzung des Weserwassers, weil es doch dem Bund gehört!!? Und der Vorsitzende des Aufsichtsrats räumt dem Vorstand ein Rücktrittsrecht ein, für den Fall, daß der Präsident des Senats seine durch einstimmigen Bürgerschaftsbeschluß gedeckten Finanzierungszusagen nicht einhält?

Was wunder, wenn niemand mehr durchblickt, wer hier welches Spiel treibt, und so manchen Befürworter der Mut verläßt, noch an etwas anderes als ein Satyrspiel mit bitterem Ausgang zu glauben. Ich selbst aber bin trotz allem immer noch optimistisch: ich glaube, der Flurschaden für die ökologische Umsteuerung insgesamt und damit für die Politik in Bremen überhaupt wäre einfach zu groß, wenn das Projekt jetzt, zu diesem späten Zeitpunkt, noch scheitern sollte. Ich habe jedenfalls eine Flasche Champagner für den Baubeginn vor dem 31.Juli 1992 gewettet, und zwar gegen einen, der Mittel in der Hand hat, das Weserkraftwerk doch noch zu verhindern.

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